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Rodin.

■ Skulpturen, Aquarelle und Zeichnungen Rodins in der Bremer Kunsthalle / „Eros und Kreativität“

Skulptur:

Frau auf Podest

„Die Märtyrerin“, Bronze

Schamlos ist die Ausstellung, im besten Sinne. Und eine erstaunliche Premiere: Zum ersten Mal geht es in einer Ausstellung um Eros und Sexus im Werk des Auguste Rodin (1840-1917), der schon zu Lebzeiten eine berühmte und bestvermarktete Legende war.

„Der schlanke Körper der Wollust neigt sich nach hinten; (..) Sie befindet sich in einer langsamen, doch spezifischen Bewegung. Das Haar, das ihr Gesicht halb bedeckt, ist nach vorn gefallen. Ihre Arme, eng am Körper, haben einst seine Haut gespürt, nun aber fühlen sie nur noch die fiebernd erregten Hände, welche nur leicht auf den Lenden ruhen. In gespannter, fast schwindender Kraft öffnen sich die Finger der rechten Hand, als ob der Höhepunkt der Erwartung sie bereits zu

überwältigen drohe. Die Linke drückt gierig vor Erwartung die Nägel in die Handfläche, die dem Betrachter entgegengewandt ist; die Hand liegt in einer demonstrativen Geste auf dem Schenkel des linken Beins, als ob sie die lustvolle Anwinklung betonen solle, in der das Bein in einer auffälligen Position verharrt. (...) Seine Berührung allein — die sie nicht dort spürt, wo sie sie ersehnt — reicht aus, ihr Begehren ganz zu entflammen. (...) Seine Hand streicht über ihre Haut, scheint die Erfüllung ihres Begehrens anzudeuten. Gleichzeitig zerstreut er ihre Zweifel mit einem lustvollen Flüstern, das ganz von selbst kommt, ohne daß seine Lippen es eigens formen müßten, ein schwacher, nur ganz leichter Zuruf, der ihr Sehnen immer wieder bestärkt. — Dieses Moment höchster, angespannter Erwartung versammelt all das, was Rodin über das Erotische weiß.“ So schreiben Rainer Crone / David Moos im Ausstellungs-Katalog über Rodins Plastik „Gier und Wollust“.

50 Skulpturen und ebensoviele Zeichnungen und Aquarelle Rodins, die Hälfte davon aus dem Pariser Rodin-Museum, hat die Kunsthalle zu einer aufsehenerregenden Ausstellung zusammengetragen, hoch versichert und aufwendig mit Filmen, Theater und Exkursionen versehen. „Zu Lebzeiten war Rodins unersättlicher erotischer Appetit bekannt; nach seinem Tode versuchte man gar, seine provokanten Zeichnungen geheimzuhalten“, erklärte Kunsthallenchef Siefried Salzmann in seiner Eröffnungsrede, „entscheiden Sie selbst, ob sie anstößig sind.“

Erotik und Körperlichkeit war für Rodin nicht nur das eine, das andere Geschlecht. Das war nicht nur der weltberühmte „Kuß“, in dem zwei junge Liebende zu verschmelzen scheinen, in unerträglicher Spannung sich aber, obwohl verschlungen, nur ganz leicht berühren. Rodin schuf, aus Marmor und Bronze, Gruppen mit zwei, drei Frauengestalten in enger Umarmung, lesbische Paare, Zeichnungen und Aquarelle von Akten. Immer wieder auch der Blick zwischen die Schenkel, Hände zwischen den gespreizten Beinen, die schamlos dargebotene weibliche Scham, lustvoll angespannte, nach hinten durchgebogene Körper, Ungeniertheit, die zu seiner Zeit der kulthaften Denkmalsvorstellungen entzückte und Anstoß erregte: Rodin gab seinen passiv- verblockten oder expressiv-aktiven Figuren eine eigene, selbst- bewußte Körpersprache und nahm damit die Freiheit körperlichen Ausdrucks vorweg, die für Frauen erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts erlaubt war. Nicht nur Genius und Muse sind Thema, nicht nur Begehren und Potenz. „Die Märtyrerin“, eine große nackte Bonzefigur, liegt am Boden, den Blicken auf ihren Körper hilflos ausgesetzt; Gewalt spricht aus der hockenden Frau, der Gebärerin, Paare sind die Verdammten der „Höllenpforte“, die einander entgleiten und nicht voneinander lassen können.

Rodin war geschäftstüchtig, ließ seine Figuren in der Werkstatt kopieren, vergrößern, verkleinern, nachgießen. Und er umgab sich mit Fotografen. Im Eingangsbereich der Ausstellung geht das Publikum durch sein Atelier, rechts und links überlebensgroße Fotos seiner Werkstatt. Vorbei am Meister, bärtig, riesig, von unten fotografiert. S.P.

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