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»Wilde Ehen« erhalten Verfassungsrang

■ Vorschlag von Justizsenatorin Limbach: Mit Grundgesetzänderung familiäre Kindererziehung und Altenpflege fördern

Berlin. Justizsenatorin Jutta Limbach will zukünftig auch nichteheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende unter den besonderen Schutz der Verfassung stellen. Einen entsprechenden Vorschlag hat sie bereits in die Beratungen der Verfassungskommission des Bundesrates eingebracht. Dieter Rulff sprach mit ihr über den Sinn ihres Vorhabens

taz: Frau Limbach, was hat eine nichteheliche Lebensgemeinschaft davon, wenn sie unter den besonderren Schutz der Verfassung gestellt wird?

Limbach: Ich habe vorgeschlagen, daß man zukünftig den entsprechenden Passus des Grundgesetzes dergestalt formuliert: Ehe und Familie sind vom Staat zu achten und ihr privater Lebensbereich ist zu schützen. Das gleiche gilt für die auf Dauer angelegte nichteheliche Lebensgemeinschaft. Damit soll einfach vermieden werden, daß sie diskriminiert werden. Der wesentliche Punkt ist jedoch, daß ich vorgeschlagen habe, daß die staatliche Förderung künftig bei familiären Gemeinschaften ansetzen soll, die sich der Kindererziehung und der Sorge für Alte widmen. Alleinerziehende sind im besonderen Maße staatlich zu fördern. Meiner Ansicht nach sollen, ungeachtet des Familienstandes, die gefördert werden, die Kinder erziehen und für Alte sorgen, denn das ist ein Grund für den Staat sie steuerlich zu priveligieren oder sonstwie zu fördern.

Kommen damit nicht ungeheure Kosten auf den Staat zu?

Es gibt natürlich zusätzliche Kosten, aber sie müssen bedenken, daß diese Kosten, die Alleinerziehende benötigen, um ihre Kinder großzuziehen, eh, sofern sie nicht durch Arbeit Geld verdienen, von der Sozialhilfe und anderen Bereichen aufgebracht werden müssen.

Sie greifen mit ihrem Vorschlag das geheiligte Institut der Ehe an...

Das tue ich im Grunde nicht, sondern ich bringe zum Ausdruck, daß der Staat die Autonomie von Ehe und Familie zu achten hat, daß aber die staatlichen Fördermaßnahmen der Familie gewidmet werden sollen. Es wird vielleicht von manchem so begriffen werden, als würde der Schutz der Ehe gemindert. Ich sehe das nicht so. Ich bin selbst 27 Jahre verheiratet und muß sagen, die Tatsache allein, daß zwei Erwachsene die Ehe geschlossen haben ist kein Grund, sie anders zu fördern als die übrigen Erwachsenen. Etwas anderes ist es, wenn sie darüber hinaus gehende Leistungen erbringen, nämlich Kinder großziehen und für andere Familienangehörige sorgen.

Sie fürchten also nicht das Protestgeläut der Katholischen Kirche gegen ihre Initiative?

Ich kann mir schon vorstellen, daß Konservative meinen Ansatzpunkt nicht teilen, das glaube ich schon. Aber wir müssen darüber nachdenken, was eigentlich die förderungswürdigen Tatbestände sind. Das habe ich mit diesen Vorschlag, den wir auch in der Verfassungskommission beim Parteivorstand der SPD besprochen haben, zum Ausdruck gebracht. Es gibt auch in den eigenen Reihen Leute, die meinen, daß hier der Eheschutz vermindert wird.

Welcher Resonanz erwarten Sie bei Ihrem Koalitionspartner CDU auf Ihren Vorschlag?

Das wird sicherlich sehr heftig diskutiert werden.

Wann rechnen Sie mit der Realisierung ihres Vorschlages?

Das kann ich noch nicht voraussehen. Wir werden ihn aber alsbald zu diskutieren haben, wenn ich eine entsprechende Vorlage für den Senat gemacht habe.

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