: Keine Barrieren für den Präsidenten
■ Moabiter wehren sich gegen die Sperrung der Spreeuferwege am Schloß Bellevue/ Sicherheitsbelange sollen nicht die Freiheit der Bürger beschränken
Moabit. Empört reagieren die Moabiter AnwohnerInnen auf die mögliche Sperrung der Spreeuferwege für den öffentlichen Verkehr. Das Begehren des Bundespräsidialamtes, nach dem Umzug des Präsidenten ins Schloß Bellevue und dem Neubau des Bundespräsidialamtes auf der gegenüberliegenden Spreeseite aus Sicherheitsgründen die Uferwege zwischen dem S-Bahnhof Bellevue und der Lutherbrücke zu sperren, trübte gestern die Stimmung zahlreicher Spaziergänger.
Mit den Spreewegen ginge ihnen einer der attraktivsten Spazierwege verloren, betonen sie. »Die Sperrung wäre ein Qualitätsverlust«, erzählt auch Wolfgang Welzin, der hier täglich seinen Hund ausführt. »Man kann doch nicht ganze Viertel für die Bürger sperren, nur weil die Regierung kommt.« Schließlich kämen noch ganz andere Belastungen auf die Anwohner zu: So sei auch der Schloßgarten nicht mehr für Erholungssuchende zugänglich, wenn der Bundespräsident dort residiere — von den Neubauten für das Bundespräsidialamt am Spreeufer ganz zu schweigen. Das Sicherheitsbedürfnis sei ja verständlich, so Welzin. »Aber wie weit sollen denn die Beschränkungen für uns gehen?«
Die geplante Schließung der Uferwege sei nur ein belastender Faktor von vielen in Moabit, erzählt der Krankenpfleger Paul Stief. Auch die Innenministerkonferenz habe in der vergangenen Woche wieder einen Vorgeschmack auf das »bevorstehende Chaos« gegeben. Der angedachte Bau von Regierungsgebäuden am Spreebogen, Mietenexplosion, ständige Absperrungen ganzer Stadtbezirke »aus Sicherheitsgründen« — »das alles zusammen macht mir eigentlich Angst«, so Stief.
Unterstützt werden die Moabiter von Tiergartens Baustadtrat Horst Porath, der den Bau von Barrieren für die Bürger prompt ablehnte. Als »nicht zumutbar und unnötig« bezeichnet auch die Berliner Fraktion Bündnis 90/Grüne die Schließung der Wege, die nicht nur Spaziergängen und Sonnenbädern dienen, sondern auch eine Verbindung zur S-Bahn darstellen. In einem Antrag fordert die Fraktion den Senat auf, die Uferwege weiterhin für die Bevölkerung offen zu halten.
Die Sperrung sei die »primitivste Lösung, den Sicherheitsbelangen des Bundespräsidenten Rechnung zu tragen«, sagte die ehemalige Stadtentwicklungssenatorin Michaele Schreyer gegenüber der taz. Als Alternative schlägt Schreyer nun vor, den Zaun um das Schloß Bellevue durch eine Mauer zu ersetzen und diese mit Videokameras zu überwachen. Und auch der bisherige Regierungs- und Präsidentensitz am Rhein liefert den Sperrungsgegnern ein Argument: denn in Bonn ist das Rhein- Ufer trotz Regierungsviertel für die Bevölkerung frei zugänglich. jgo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen