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Die Insel ist reif

■ Großbritannien hat die Rugby-WM verloren und befindet sich nunmehr in einer tiefen nationalen Krise

London/Berlin (dpa/taz) — Die Rugby-WM ist nach Meinung der Briten die bedeutendste sportliche Veranstaltung auf der Insel seit dem Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft 1966 zwischen England und Deutschland. Zudem ist die Meinung der Briten, daß Großbritannien unschlagbar sei im Rugby. Am Samstag nun war das Finale gegen Australien. Und da geschah es, plötzlich und unerwartet: Die Aussies gewannen, klar mit 12:6. Gegen England. Im Rugby.

Eine Tatsche, die man noch oft wiederholen muß, ehe sie britische Hirne wirklich erreicht. Wie nur konnte es sein? Selbst die königliche Familie hatte die Royal-Daumen gedrückt: Unter den zahlreichen Promis in London-Twickenham befanden sich — ungewöhnlich für ein Rugbyspiel — Königin Elisabeth II, auch Prinzessin Anne und Prinz Edward.

Die als Rugby-Fan bekannte Königin persönlich überreichte dem Kapitän der siegreichen Mannschaft, Nick Farr-Jones, den Weltpokal, nach dem Erfinder des Rugbyspiels auch „Webb-Ellis-Trophy“ genannt. 58.000 Zuschauer im prallvollen Twickenham-Stadion wohnten der Begegnung bei, für die sechsmal so viele Karten hätten verkauft werden können.

Allein in England verfolgte die Rekordzahl von zwölf Millionen Fernsehfans das Spiel, das in 40 Ländern live und in weiteren 30 zeitverschoben ausgestrahlt wurde. Auch die Buchmacher machten durch Millionenumsatz große Kasse. Die beiden Ministerpräsidenten, John Major (Großbritannien) und Bob Hawke (Australien), hatten eine Wette untereinander abgeschlossen. Der Verlierer bekam als Trost den Spielball mit Autogrammen der siegreichen Mannschaft.

Die wahren Fans hingegen sind untröstlich. Ein weinender, wimmernder Brite nach dem Spiel: „Das ist unglaublich. Ausgerechnet die Australier! Eine nationale Schande.“

Das einen Monat dauernde Weltmeisterschaftsturnier brachte einen Reingewinn von 20 Millionen Pfund (60 Millionen Mark). Aber davon bekommen die Spieler praktisch nichts. Das soll sich in Zukunft ändern: Am Vorabend des Endspiels schockte Englands Mannschaftskapitän Will Carling die Öffentlichkeit, als er einen finanziellen Anteil für die Spieler verlangte, die grundsätzlich Amateure sein sollen.

Mit dieser Forderung darf Carling nach dem vergeigten Finale wohl erst mal wieder nach Hause gehen. miß

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