: Die Heilige und das Laster
■ Imelda Marcos kehrt auf die Philippinen zurück, wo Corazon Aquino alle enttäuscht hat
Die Heilige und das Laster Imelda Marcos kehrt auf die Philippinen zurück, wo Corazon Aquino alle enttäuscht hat
Ohne einen Pfennig sei sie nun, erklärte Imelda Marcos mit brechender Stimme, als sie in Manila landete, von wo aus sie vor fast sechs Jahren geflohen war. Dann riß sich die juwelenbehangene und zu den Reichsten der Welt zählende Dame zusammen: Als „Mutter der Nation“ werde sie ihrer Berufung folgen, das Land zu einigen, und nicht eher ruhen, bis der letzte arme Filipino aus allem Elend befreit sei. Sprach's, schluchzte, winkte der herangekarrten Anhängerschaft zu und begab sich zum Umkleiden in ihre 2.000-Dollar-Suite. Der Regierungschefin Corazon Aquino, deren Ehemann Imeldas Mann 1983 hatte umbringen lassen, wolle sie die Hand zur Versöhnung reichen — von Witwe zu Witwe sozusagen. Aquino lehnte dankend ab.
Witwen, Mütter und Töchter sind vor allem in Asien ein verbreitetes politisches Phänomen. Ob in Pakistan Benazir Bhutto, in Bangladesch Khaleda Zia, in Indien Indira Gandhi — um nur einige zu nennen: sie alle kamen in der Nachfolge ihrer Väter oder Männer an die Macht. So auch Corazon Aquino. Das jetzt von Imelda Marcos inszenierte Spektakel bietet neben dem vor allem in den ausländischen Medien goutierten Unterhaltungswert eine Fülle von Klischees: Da steht Cory Aquino, die persönlich integre und vor allem religiöse Frau für die Mutter und heilige Jungfrau. Dagegen Imelda Marcos: Das Mädchen aus einfachsten Verhältnissen errang als Schönheitskönigin die Gunst Ferdinands und will nie mehr arm sein. Sie verkörpert zwar nicht die Hure, aber das Laster. Es war weniger ihr dramatisch schlechter Geschmack als die offene Gier und absolute Schamlosigkeit, die sie als Königin einer Welt des Reichtums auch bei jenen unbeliebt machte, die sich andererseits in ihren Träumen mit ihr identifizieren wollten.
Doch die Jungfrau ist mittlerweile schwach, ihr Heiligenschein ermattet. Corazon Aquino hat keine der in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen können. Da ist der Ansatz philippinischer Eigenständigkeit in der Politik — wie sie sich in der Ablehnung der US-Basen im Senat gezeigt hat — wenig Trost für die verarmte Bevölkerung. Imelda Marcos erklärte nach ihrer Rückkehr aus den USA: „If you can make it there, you can make it anywhere“ und meinte damit, daß sie in den USA von den Anklagen der Geldwäsche von Millionen unterschlagener Dollar freigesprochen worden war. Sie symbolisiert die Orientierung an der amerikanischen Kultur, die die Philippinen bis heute durchdringt. Doch allmählich regt sich in der Öffentlichkeit Unmut. Vielleicht scheitert hieran auch Imelda Marcos. Jutta Lietsch
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