piwik no script img

Freud um die Ohren

Frank Oz' Psycho-Komödie „Was ist mit Bob?“  ■ Von Barbara Häusler

Es gibt Eisenbahn- und Flugzeugfilme, Insel- und Wüstenfilme, Katastrophen- und Familienfilme und — neuerdings wieder verstärkt — Berg- und Irrenfilme. Die Geschichte eines Mannes, dessen Neurosen in dem Maß schwinden, in dem er seinen Psychiater verrückt macht, gehört in letztere Kategorie. Es gibt viele Möglichkeiten, diese Geschichte zu erzählen: als existentialistische Studie, als Rachefeldzug gegen die Psycho-Innung oder als definitorisches Rührstück um Gesundheit und Verrücktsein.

Glücklicherweise macht Frank Oz' Film nichts dergleichen, sondern verwandelt den Stoff in eine vielschichtige Komödie. Bob Wiley (Bill Murray) hat Probleme. Seit er seine Frau verlassen hat, weil sie Neil Diamond mochte, kann er nichts mehr berühren, was sich außerhalb seiner Wohnung befindet. Hartnäckige Besuche bei wechselnden Psychiatern sind seine einzige Verbindung zur Außenwelt und eine Tortur. Da gibt es Flurwände, die ihn unabsichtlich streifen könnten, Türklinken, fremde Möbel und Hände, die er äußerstenfalls mit einem Taschentuch anfassen kann; fremde Schultern in einem Fahrstuhl, die ihn zwingen, den neuen Psychiater im 52. Stock über die Treppe und kurz vor dem Herzinfarkt zu erreichen. Unablässig muß er sich deshalb Mut zumurmeln: „I feel good, I feel great, I feel wonderful.“

Dr. Leo Marvin (Richard Dreyfuss) hat Erfolg und keine Zeit. Gerade hat er sein bestsellerverdächtiges Therapiekonzept „Babyschritte“ veröffentlicht. Morgen wird er mit seiner Frau Fay und den Kindern Sigmund (!) und Anna (!!) verreisen. Übermorgen wird er für die Fernsehshow Good Morning, America interviewt werden. Heute hat er jedoch noch einen Termin mit einem neuen Patienten, den ihm ein entnervter Kollege in letzter Minute überwiesen hat.

Bob kennt sich aus mit Psychiatern: Sie wollen etwas hören. Routiniert präsentiert er Dr. Marvin seine Ängste. Davor, daß er „wuschig“ wird, wenn er etwas berühren muß. Oder daß ihm die Blase platzt, weil er kein Klo findet. Am meisten aber, daß er einen Herzanfall erleidet oder am Tourrette-Syndrom erkrankt. Zwei Ängste immerhin, die er durch regelmäßige Simulation ihrer Symptome vorbeugend im Griff hat.

Bob weiß spontan: Dieser Mann kann mir helfen. Dr.Marvin weiß nur eins: Morgen fahre ich in die Ferien. Für die Zwischenzeit empfiehlt er dem erschrockenen Patienten seinen Bestseller und dessen revolutionäres Murmelprogramm: „Babyschritte zur Tür, Babyschritte zum Fahrstuhl, Babyschritte in den Fahrstuhl.“

Der Ursprung der sich nun anbahnenden Tragödie liegt in einem therapeutischen Mißverständnis. Denn Bob gelangt mit dieser Methode ganz mühelos zum geheimgehaltenen Feriendomizil. Der entsetzte Psychiater will ihn nach Hause schicken, indem er ihm Urlaub von seinen Problemen verordnet. Bob nimmt ihn erneut beim Wort und bleibt, nicht als Patient, sondern als ganz normaler Feriengast. Dr. Marvins strategische Therapie wirkt bereits zum zweiten Mal kontraproduktiv. Statt den lästigen Patienten abzuwimmeln und der Einfachheit halber mit sich selbst zu beschäftigen, machen sie Bob seltsamerweise kontaktfähig und zum Liebling der Restfamilie. Der von seinen Neurosen Zwangsbeurlaubte treibt so den Arzt fast zu einem Mord und ebenso beiläufig wie fulminant in den Stupor.

Bobs Komik besteht darin, daß er trotz seines äußerlichen Handikaps über große Sensibilität und Vertrauensfähigkeit verfügt — weshalb er verstanden wird. Mit Dr.Marvin verhält es sich umgekehrt: Hinter der erfolgreichen Fassade ist ihm das Zuhören und Mitleiden auf professionelle Weise abhanden gekommen. Deshalb versteht er nichts. Seine Tochter bringt es auf den Punkt: Er ist einfach nicht lustig. Im Gegenteil: Er macht sich lächerlich. Nur gerecht, daß dem eitlen Doktor sein Freud am Ende buchstäblich um die Ohren fliegt.

Daß der Film glaubwürdig und gleichzeitig komisch ist, liegt vor allem an den beiden Protagonisten. Bill Murray gelingt diese Synthese — am schönsten in den Szenen, in denen er listig und ernsthaft zugleich die äußerst zweckdienlichen therapeutischen Mißverständnisse produziert. Richard Dreyfuss versteht es, die Fassungslosigkeit seiner Figur in Szene zu setzen — ein Mann, der so wenig begreift, kann auch nicht die Stirn runzeln.

Komödien haben ein Happy-End. Auch Frank Oz hat gegen diese Genreregel nicht verstoßen. Leider.

Frank Oz : Was ist mit Bob? Kamera: Michael Ballhaus, mit Bill Murray, Richard Dreyfuss, USA 1991, 99 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen