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„Käptn Bobs“ mysteriöse Hinterlassenschaft

■ Ist Robert Maxwell gefallen, gesprungen oder gestoßen worden? — die britische Presse spekuliert

Kaum war seine Leiche aus dem Atlantik gefischt worden, da begannen die Spekulationen über die Todesumstände des Robert Maxwell. Der spanische Amtsrichter, der am Dienstag abend in Gando (Gran Canaria) die Untersuchung der Leiche vorgenommen hat, sagte: „Es sieht nicht so aus, als gebe es Anzeichen für eine Gewalttat. Es könnte ein Unfall gewesen sein.“

Oder war es Selbstmord? Schon lange ist bekannt, daß Maxwells Medienimperium Pfund für Pfund zerbröckelt. Außerdem machten „Käptn Bob“ die Beschuldigungen des US-amerikanischen Pulitzerpreisgewinners Seymour Hersh schwer zu schaffen, er habe „mehr als innige Beziehungen“ zu Israel gehabt. So sollen Maxwell und der Auslandschef des 'Daily Mirror‘, Nicholas Davies, den israelischen Atomtechniker Mordechai Vanunu an den Geheimdienst Mossad verraten haben. Vanunu hatte 1986 in der britischen 'Sunday Times‘ über Israels geheimes Atomwaffenprogramm ausgepackt und war kurz darauf in Rom entführt und in Tel Aviv zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. Hersh sagte, er habe bisher lediglich zehn Prozent von der Verwicklung Maxwells in die Affäre enthüllt.

Also doch ein Unfall? Das meteorologische Institut in London gab bekannt, daß das Wetter am Dienstag früh hervorragend gewesen sei und kein Seegang geherrscht habe. Nick Baker, der Manager der Yachtagentur, bei der auch Maxwells „Lady Ghislaine“ gemeldet war, sagte: „Selbst bei sehr hohem Seegang wäre es zwar möglich gewesen, über Bord zu gehen, aber immer noch ziemlich unwahrscheinlich.“ Auf jeden Fall beeilten sich sowohl Maxwells Sohn Ian als auch Kapitän Gus Rankin zu versichern, daß Maxwell „sehr, sehr guter Laune“ gewesen sei, als sie zuletzt mit ihm gesprochen hätten. Rankin behauptete gar, sein Chef habe die Kreuzfahrt „mehr genossen als je zuvor“. Maxwell war auch nicht der Typ, der sich ertränkt hätte — eher hätte er sich vermutlich erschossen.

Also Mord? Maxwell sammelte Feinde wie andere Leute Briefmarken. „Man respektierte ihn gezwungenermaßen wegen seines Geschäftssinns“, sagte ein 'Mirror‘-Journalist, „aber nicht für die Art, wie er Menschen behandelte. Wir mußten mit ihm leben.“ An einen Mord glaubt er dennoch nicht: „Natürlich denken viele Leute jetzt, daß er um die Ecke gebracht worden ist. Aber wir sollten nicht paranoid werden. Wenn keine Beweise auftauchen, muß es ein tragischer Unfall gewesen sein.“

Auch in früheren Zeiten sind Maxwell schon enge Verbindungen zu den verschiedensten Geheimdiensten nachgesagt worden. Ende des Zweiten Weltkriegs arbeitete er als britischer Agent. Später wurde er selbst zum Objekt des Interesses seiner ehemaligen Kollegen: Da sein Verlag Pergamon Press wiederholt Material aus Osteuropa und vor allem der Sowjetunion veröffentlichte, verdächtigte man ihn, KGB-Spitzel zu sein. Seymour Hersh sagte gestern: „Die wahre Geschichte Robert Maxwells wird über Jahre hinaus Stoff für Zeitungen und Schauerromane bieten.“ Ralf Sotscheck

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