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Manchmal bin ich ohne Worte

■ Aus Elisabeth de Roos' Essay »Das Eigene in der Fremde«

Manchmal frage ich mich, was ich denn bloß angefangen habe. Dieses mühsame Unternehmen, um in einer dir im Grunde genommen fremden Sprache zu schreiben.

Der Anfang liegt schon länger zurück, und damals ging Dringlichkeit mit einer gewissen Arglosigkeit einher. Jetzt befinde ich mich mitten im Schreibprozeß, habe in ein paar Anthologien veröffentlicht, und mich mit Lektorat herumgeschlagen.

Ich befinde mich zwischen zwei Sprachen, seitdem ich mein Land verlassen habe, seitdem ich mich auf neues fremdes Gebiet begeben habe. Allmählich bin ich fast zweisprachig. Ich bewege mich zwischen zwei Sprachen, es macht beweglich.

Indem ich den alten, vertrauten Lebensraum verlassen habe, bin ich dabei, das Vergangene loszulassen und mich dem Neuen zuzuwenden.

Wie sieht diese Zweisprachigkeit beim Schreiben aus? Beim Eindringen in den neuen Sprach-Raum verläßt du das Vertraute der Klänge und Bedeutungen der Muttersprache wie auch die Selbstverständlichkeit im Umgang mit der Sprache. Auf einer anderen, bewußteren Ebene eignest du dir die neue, in diesem Fall die deutsche, Sprache an. Zum Teil gibt es die Arglosigkeit, die Offenheit einer neuen Sprache gegenüber, die zu vergleichen ist mit der Empfänglichkeit des Kindes für eine Sprache. Andererseits wird die neue Sprache auf der Basis der Muttersprache bewußt draufgesetzt. Es ergibt sich die Möglichkeit, zu vergleichen zwischen den unterschiedlichen Wörtern und Ausdrücken in den verschiedenen Sprachen.

Es fällt die Vielfalt der Möglichkeiten, sich auszudrücken auf, die ein kreativer Spielraum bietet. Außerdem beleuchtet die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten die Relativierung von festgelegten Begriffen. Es zeigt, wie andere Aspekte in einer anderen Sprache ausgedrückt werden können.

Bei aller Zweisprachigkeit aber ist das Lektorat für die deutsche Fassung unentbehrlich! Für jeden Text, für jeden Satz. Das bedeutet, daß man sich einer Autorität auf diesem Gebiet unterordnen muß. Man muß sich diesen Korrekturvorschlägen so anpassen, daß man manchmal das Gefühl bekommt, daß es nicht mehr der eigene Text ist. Beim Schreibprozeß in der Fremde ist man ständig in einer Auseinandersetzung mit Anpassung. Das kann sehr qualvoll sein, weil man das Eigene nicht verlieren will. Es muß um den Erhalt des Eigenen in der Fremde gekämpft werden. Hin und wieder werde ich gefragt, in welcher Sprache ich nun eigentlich denke. Ich muß gestehen, das weiß ich nicht immer, obwohl es eher zweisprachig ist. Manchmal auch bin ich ohne Worte. Elisabeth de Roos

Elisabeth de Roos liest am 12.11., 20 Uhr, im Brecht-Zentrum, Chauseestr.125 (Mitte)

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