: Salah Yousif: Ahmet der Türke
Ahmet der Türke
Auf deinem Rücken,
steif und krumm,
trägst du die Jahre, Ahmet.
Sohn der Edlen, der Fürsten
aus dem Geschlecht der Sultane.
Was ist von der Jugend
und deinem Leben geblieben?
Was bliebe von den Freunden,
nur verschwommene Bilder?
Wie steht es mit der Gesundheit, Ahmet,
was zerreißt dir die Brust?
Frißt die Tuberkulose an ihr,
oder ein bösartiger Tumor?
Was schwächt deinen Geist
und deine Glieder?
Am Abend kehrst du zurück,
schleppst den Rest von Leben.
Und die Augen fressen dich,
auf der Jagd nach einem Fehler.
Ahmet der Türke
Ahmet der Araber
Ahmet der Neger
der Abschaum
Die Augen sprühen Haß,
den alten Haß,
der die Millionen verbrannte —
und heute dasselbe Erstaunen
des Opfers.
Was hältst du, Ahmet,
vom zivilisierten Deutschen
von Kant und Hegel
und Günther Grass
vom kulturellen Erbe
von Brandt und seinen Jahren im Exil?
Unentwegt flüstern die Augen
und die Lippen
die Stirn schreit:
Verschwinde!
Was suchst du hier, Ahmet?
Sie lieben niemanden,
nur Katzen und Hunde
unter einer Bedingung,
es muß ihre Katze sein
und ihr Hund.
So sprach Nazim Hikmet,
euer Dichter.
In jeder Krise
wird die Kugel abgefeuert,
um uns zu töten,
Ahmet.
Salah Yousif
Übersetzung: Barbara Schulz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen