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Hanseatisch gegen Teutonias Hegemonie

■ Nur als offenes System kann die deutsche Wirtschaft die Ängste der anderen Europäer überwinden

Berlin (taz) — „Die Deutschen kommen!“ ist ein oft gehörter Ruf im Osten Europas. Die katholische Partei WAK in Polen und ihre Kollegen von der KPN haben im just abgeschlossenen Wahlkampf verlauten lassen, daß sie nicht besonders erfreut sind über die teutonischen Beutezüge in der polnischen Wirtschaft.

Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei sind in diesen Monaten bestrebt, ihre Privatisierungsprogramme durchzuziehen, und die Fage, wieviele der privatisierten Firmen in deutsche Hände geraten, spielt spätestens seit der Übernahme der Skoda-Werke durch Volkswagen eine größere Rolle.

Seit der deutschen Einheit ruft der deutsche Einfluß auch im Westen Eurpas vermehrt Ängste hervor. Mit dem Fall der Mauer heute vor zwei Jahren wurde ein Prozeß eingeleitet, der das europäische Gleichgewicht der Volkswirtschaften durcheinander gebracht hat. Vorher hielten sich die Bundesrepublik, Frankreich, Italien und Großbritannien die Waage: Alle Wirtschaften verfügten über die etwa gleiche Anzahl von Verbrauchern, zwischen 45 und 60 Millionen Menschen pro Land. Seit der deutschen Einheit gibt es ein Deutschland, das zwar zunächst viele Probleme mit dem Wiederaufbau des eigenen Ostens hat, aber allseits langfristig als der Machtfaktor der europäischen Wirtschaft gesehen wird.

Ein interessantes Phänomen kann man im Baltikum beobachten. Dort spricht man viel über Deutschland. Denn die drei baltischen Republiken besinnen sich gerne auf ältere Traditionen, insbesondere auf die Hanse. Und das tun nicht nur Estländer, Litauer und Letten, sondern auch die Skandinavier, die sich schon seit Jahren tatkräftig in Deutschland umgeschaut haben — man denke nur an den Kauf der Feldmühle-Nobel durch die schwedische Stora. Gdansk (Danzig), ehemalige Hansestadt, hat mit der Hansestadt Kiel ein Kooperationsabkommen zur Ausbildung von Managern in die Wege geleitet. Der Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Friedrich W. Christians ist für Kaliningrad alias Königsberg in die Bresche gesprungen. Aus dem ehemaligen Militärhafen wird jetzt wieder eine Handelszone.

Seit zwei Jahren veranstalten die Ostseeanrainer Hansetage, dieses Jahr unter Obhut des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Björn Engholm in Lübeck. Dabei waren 500 Banker und Kaufleute aus Deutschland, Polen, Rußland, Skandinavien und den drei Baltenrepubliken, auch wenn sie im April beim Treffen in Lübeck noch zur UdSSR gehörten.

Die Brücke über den Großen Belt wird gebaut, die Vereins- und Westbank und die Warburg-Bank schauen sich besonders an der Ostsee um, denn dort finden zwanzig Prozent des Welthandels statt (am Mittelmeer hingegen nur acht Prozent).

Was bedeutet diese Renaissance der Hanse-Idee? Und was kann man aus der Geschichte der Hanse lernen? Die Hanse war ein extrem erfolgreicher Bund von Kaufleuten, der vor allem darin bestand, einen sicheren Handel zu gewährleisten. Da wurden Policen zwischen den Kaufleuten abgeschlossen und Verträge mit den europäischen Häfen, damit den Hansekaufleuten freies Geleit gewährt würde. Die Hanse dauerte von 1159 bis 1669, so der französische Historiker Philippe Erlanger. Doch die letzten Jahrzente waren schon Teil des Niedergangs. Das lag auch daran, daß sich die Hanse immer mehr abschottete. Von einem offenen wurde sie zu einem geschlossenen System.

Anfangs konnte nämlich ein jeder Kaufmann der Hanse beitreten, solange er sich in einem der deutschen Dialekte verständigen konnte. In der Spätphase nicht mehr. Da klammerten sich die Kaufleute an ihren Privilegien fest, vernachlässigten die Route, die sie über Köln und Straßburg mit Frankreich und über Frankfurt und Mailand mit Italien verband — und mußten schließlich ihre Hegemonie an zwei offene Systeme übergeben: das holländische und das britisch-portugiesische.

Nur offene Systeme überleben. Auf diese Fragestellung angesprochen, antwortete kürzlich Birgit Breuel, Präsidentin der Treuhandanstalt: „Diese Fehler lassen sich heute nicht wiederholen, wir leben in einer offenen Gesellschaft.“ Wenn das so bleibt, und vieles spricht dafür, dann brauchen die Europäer keine Angst vor der Übermacht deutscher Konzerne zu haben. Wenn man Joint- ventures einzugehen bereit ist, wenn man die Allianzen der Unternehmen flexibel und international gestaltet, wenn man auch das Management nicht allein den Teutonen überläßt (aber die Beispiele von Daniel Goeudevaert bei Volkswagen oder Giuseppe Vita bei Schering lassen diese Gefahr nicht als besonders akut erscheinen), dann wird Europa tatsächlich europäisch und nicht deutsch und auch Deutschland wird europäischer.

Ich persönlich bin zuversichtlich, daß dies der Weg ist, den die deutsche Wirtschaft einschlagen wird. Emilio Galli Zugaro/Italien

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