KOMMENTAR: Feuerwerk&Bananen
■ Die SFB-Abendschau am 9. November 1991
Das Diepgen-Wahlkampfteam von der SFB-Abendschau hat am vergangenen Samstag, 9. November 1991, wieder mal ein Glanzstück Alt-Westberliner Fernsehschaffens produziert. Der Aufmacher der Abendsendung waren nicht etwa die Großdemonstrationen gegen Rassismus und Ausländerhaß in der Innenstadt. Nein, an erster Stelle der Programmfolge stand ein zusammenschnippelter 89er-Mauerfall-Clip aus einer vom SFB vertriebenen Videokassette: Sekt, Bananen, Feuerwerk und heulende Trabi-FahrerInnen — unterlegt mit der SFB-Hauptstadthymne Millionen Herzen für diese Stadt. Als ob Freude über den 9. November 1989 ungebrochen abgefeiert werden könnte, folgte der Trip in die deutsche Befindlichkeit. Zitat einer ZDF-Umfrage: 52 Prozent der Ostdeutschen sind zufrieden. An dritter Stelle dann eine eigene aktuelle Umfrage zum gleichen Thema auf dem Alex. Auch danach waren die Zehntausende von DemonstrantInnen noch nicht dran. Statt dessen ein kurzer Werbefilm für den Regierenden Diepgen in Ansprache-Manier, mit den Fotos eines Handschlags über die Mauer im Hintergrund: Es geht aufwärts.
Nun erst wurde die Anti-Rassismus-Demo gezeigt — an vierter Stelle. Gefolgt von Berichterstattung über das Gedenken an die Pogromnacht des 9. November 1938 bei der ehemaligen Synagoge in der Kantstraße — an fünfter Stelle. Besser hätte man die Mauer nicht bauen können zwischen dem, was sich als offizielle »deutsche« Jubel-Version des 9. November durchzusetzen beginnt, und dem, was als unangenehm aktuelle Last der Geschichte mitgeschleppt werden muß. Die Abendschau-MacherInnen leben noch so sehr in der Frontstadt, daß sie ohne Mauer einfach nicht auskommen können. Hans-Hermann Kotte
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