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Ausländer rein, Rheinländer raus

■ Basisgruppen konnten nur wenige tausend mobilisieren/ Türken-Kids gingen entlang der Strecke auf Fascho-Jagd

Berlin. »Wir demonstrieren hier, weil wir aus der Geschichte gelernt haben«, verkündete der Redner auf der Putlitzbrücke. So elitär, wie sich dieses Bekenntnis ausnahm, so klein war auch die Teilnehmerzahl des Demonstrationszuges »gegen Rassismus und Fremdenhaß«, der sich am Samstag mittag in Tiergarten in Bewegung setzte. Die Veranstalter sprachen von — offensichtlich übertriebenen — 10.000 Teilnehmern, die Polizei von 2.000. Die Aufrufer — verschiedene Basisgruppen und die PDS — hatten im Vorfeld des 9.November zu einem eigenen Sternmarsch mobilisiert, sich dann jedoch mit der AL auf einen Kompromiß und eine gemeinsame Schlußkundgebung am Lustgarten geeinigt.

Als Maskottchen auf einem Transparent vorneweg trugen sie das aus dem Comic-Dschungel bekannte schwarzgepunktete Marsupilami. Andere vertrösteten auf die Revolution als die »Lösung« des Rassismusproblems. Die Polizei stand nur an wenigen Stellen Spalier: vor der Konzernzentrale von Schering, vor Banken und vor größeren Haufen loser Pflastersteine. Die einzigen Sachbeschädigungen erlitten denn auch die Schilder der kürzlich umgetauften U-Bahnhöfe in Berlin-Mitte. Der übergeklebte Name »Schwarzkopffstraße« mußte wieder dem »Stadion der Weltjugend« Platz machen, unter dem Aufkleber »Zinnowitzstraße« kam der kryptokommunistische »Nordbahnhof« zum Vorschein.

»Auch Lenin ist Ausländer. Stoppt seine Hinrichtung« — diese Losung hielt ein Teilnehmer des in Prenzlauer Berg gestarteten Demonstrationszuges hoch, der an der Wilhelm-Pieck-Straße auf den Tiergartener Aufmarsch traf. Die Ostberliner Partner der Basisgruppen sorgten für dichtere Reihen. Sie bezifferten die Zahl ihrer Teilnehmer auf 5.000, darunter viele von der PDS mobilisierte ältere Menschen. Leichte Wessi-Feindlichkeit auf einem Schild, das »Ausländer rein, Rheinländer raus« verlangte. Am Rande einer Zwischenkundgebung des »Berliner Bündnis« am Monbijouplatz kam es zum einzigen unfriedlichen Zwischenfall des Tages. Einige vermummte, vorwiegend türkische Jugendliche schlugen in einem Hofeingang einem jungen Deutschen, den sie der rechtsradikalen Szene zurechneten, den Kopf blutig. hmt

Siehe auch Bericht auf Seite 3

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