Ironie einer »Umbenennung«

■ Diplomaten in der Grotewohl-Straße pikiert/ Toleranzstraße bedeutet auf französisch »Rotlichtviertel«

Berlin. Im Amtsblatt wird der Akt bereits angekündigt. Mit dem Auswechseln der Straßenschilder will die Baustadträtin von Mitte, Dorothee Dubrau, am 1. Dezember beginnen. Die jetzige Otto-Grotewohl- Straße, die in ihrem südlichen Abschnitt auf Kreuzberger Gebiet nach wie vor den alten Namen Wilhelmstraße trägt, wird im Stadtbezirk Mitte dann zur Toleranzstraße.

Bei einer ganz speziellen Gruppe von Betroffenen stößt der gutgemeinte Beschluß, den die örtlichen Bezirksverordneten schon im Frühjahr gefaßt hatten, auf gelindes Entsetzen.

Dem diplomatischen Personal der zehn Generalkonsulate und Botschaftsbüros, die in der Grotewohl- Straße ihre Residenz haben, ist eine bemerkenswerte Doppeldeutigkeit ihrer künftigen Adresse aufgefallen.

Auf französisch und damit in der Sprache der internationalen Diplomatie ist »Rue de la Tolerance« nämlich gleichbedeutend mit dem deutschen Ausdruck »Rotlichtviertel«. So zumindest hat es die österreichische Generalkonsulin Gabriele Matzner »schon mehrmals von französischer Seite« gehört. Und das sei, meint Matzner, doch eigentlich »schade«, daß die Straße mit ihrem neuen Namen ein völlig falsches »Renommee« bekommen würde.

»Wir machen daraus keine offizielle Sache«, versichert die österreichische Generalkonsulin diplomatisch, »es geht uns ja überhaupt nichts an, wie die Berliner ihre Straßen nennen.« Sie habe sich als alte Bewohnerin der Stadt nur gedacht, daß ein derart zwielichtiges Image für eine Straße im Herzen des alten Berlin und in der Nähe des Brandenburger Tores eigentlich deplaziert sei.

Im Kollegenkreis — der in der Grotewohl-Straße von einem afghanischen Botschaftsbüro bis zur Vertretung der Republik Venezuela reicht — werde über die Umbenennung jedenfalls bereits »geschmunzelt«. Auch Matzners niederländischem Amtskollegen, der mit ihr die Hausnummer 5 teilt, sind die Übersetzungsprobleme schon zu Ohren gekommen.

Botschaftsrat van der Kroon will sich jedoch »ganz und gar nicht« über diese Sache aufregen. »Was Toleranzstraße in anderen Sprachen bedeutet«, sei für ihn »nicht so wichtig«, sagt er. »Wer weiß schon«, witzelt der Botschaftsrat ganz nordisch vielsagend kühl, »was Otto-Grotewohl-Straße zum Beispiel auf japanisch bedeutet.« hmt