„Nur theoretisch sinnvoll“

■ Der Bremer Energieexperte und Physiker Cornelius Noack zur Kernfusion

200 Millionen Grad: Bei dieser Temperatur gelang es WissenschaftlerInnen in Culham bei Oxford kürzlich, Atomkerne miteinander zu verschmelzen (vgl. taz vom 11.11.). Cornelius Noack war Mitglied des Bremer Energiebeirats und ist Professor für Physik an der Uni Bremen.

taz: Welche Energiemenge wird gebraucht, um die Temperatur von 200 Millionen Grad zu erzeugen?

Cornelius Noack: Die Temperatur hat mit der Energie nichts zu tun. Die Frage, wieviel Energie nötig ist, um eine solche Temperatur herzustellen, hängt davon ab, wie groß die Menge der Substanz ist, die man aufheizen will. In dem Experiment war die Menge wahrscheinlich sehr gering. Die größte Menge der Energie, die man braucht, fließt aber in die riesige Forschungsanlage mit ihren Magnetfeldern. Und ich schätze mal, daß zum Betrieb dieser Anlage sicher einige hundert Megawatt nötig sind. Da muß ein mittleres Kraftwerk daneben stehen.

Ist es sinnvoll, mit einem derartig hohen Energieaufwand wiederum Energie herzustellen? Kommt bei der Kernfusion irgendwann mehr Energie heraus, als reingesteckt wird?

Theoretisch ja, sonst hätte das Ganze gar keinen Sinn. Theoretisch kommt sogar ungeheuer viel mehr heraus, als man reinsteckt.

Und praktisch?

Ich halte das für völlig unrealistisch. Erstens, weil der Aufwand so groß ist. Und zweitens, weil die bisherigen Experiemente wirklich nur Grundlagen-Forschung sind und das, was man da erzielt hat, weit weg von der Anwendbarkeit ist. 1950 haben die Experten schon gesagt: Noch 50 Jahre. Heute sagen sie das gleiche. Und ich habe den Eindruck, es werden immer 50 Jahre sein bis zur Realisierung. Das ist ein nicht mehr beherrschbares Mammutvorhaben.

Der Kernfusion geht der Ruf voraus, eine saubere Energiequelle zu sein. Gibt es dabei radioaktive Rückstände?

Bei der reinen Fusion, wie sie in der Sonne abläuft, wird im Prinzip keine Radioaktivität frei. Nur ist die dafür benötigte Temperatur noch viel höher als bei den Experimenten, die zur Zeit durchgeführt werden. Und die können durchaus Radioaktivität erzeugen, allerdings nicht von der unberrschbaren Sorte wie bei normalen Atomkraftwerken. Fragen: Hannes Koch