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Jugend schreibt Liebesgeschichten

■ Senatswettbewerb für Liebesgeschichten zwischen Ost und West

Im Juni hatte Senator Thomas Krüger die Jugend der Stadt aufgerufen, ihm die »schönsten, witzigsten und romantischsten« Ost-West- Liebesgeschichten zu schreiben. 63 Geschichten junger AutorInnen zwischen 12 und 18, davon 11 aus dem Osten, 52 aus dem Westen, von 39 Mädchen und 21 Jungs wurden eingesandt, fünf Geschichten von einer »fachkundigen Jury« prämiert. Zwei Theaterstücke, die außer Konkurrenz liefen, fanden lobende Erwähnung. Die Preise — ein Reiterwochenende in Brandenburg, Bücher, Theater- und Konzertkarten — wurden am Freitag abend im »Theater der Freundschaft« vom bärtigen Jugendsenator im zitronengelben Hemd persönlich überreicht.

Nicht ohne Erfolg war die Jury bemüht, nur authentische Texte zu prämieren (und ließ 39 Geschichten, die Lehrer bei ihren Schülern in Arbeit gegeben hatten, links liegen). »Schreiben macht mir großen Spaß«, kündigte die 15jährige Nadine Pohle ihre Geschichte an, »deshalb habe ich es natürlich auch bloß gemacht, wie man sich unschwer denken kann.« Und »etwas ganz Wichtiges« will sie berücksichtigt haben: »Für den Fall, daß Sie die Geschichte drucken, müssen Sie drunter- oder drüberschreiben, daß ALLES frei erfunden ist, bis auf einige Personen! Z.B. Anne, Ich (Nadine), Stefan, Seppel, Frau Jüttner, die aus unserer Klasse.«

Etwas aufgeregt in Sonntagskleidung wie beim Abiball, mit Blumen in der Hand im grellen Scheinwerferlicht der Kamerateams, vor aufdringlichen Mikrophonen, mußten die AutorInnen bestehen. Die Ost-West- Gedanken, Vorurteile und Unterschiede waren zwar recht interessant, bestätigten aber vor allem denen, die es nicht wahrhaben wollten, die Wirklichkeit der Klischees. (In einem Text hieß es zum Beispiel über den Freund, als wäre die DDR so etwas wie Aids: »... ein halbes Jahr später hat er mir immer noch nichts von seiner Herkunft erzählt«). Manchmal verloren sich »OstlerInnen« in Anglizismen (statt Mutti & Papi, »Mum« und »Dad«) und WestlerInnen fragten sich: »Vielleicht gibt es dort ja auch ein paar süße Jungs.« Einmal — bei Antje Strubel aus Ludwigsfelde — schlug die Herkunft auch zum handwerklichen Vorteil aus. Denn im Gegensatz zur BRD gab es im Osten nicht nur Zirkel schreibender Arbeiter, sondern auch eine breite Förderung junger literarischer Talente. Daß die Siebzehnjährige einige Übungslehrgänge besucht hatte, merkte man ihrer Geschichte an, die durch genau gearbeitete Bilder und vor allem deshalb beeindruckte, weil sie als einzige die Zwischentöne, Versperrungen, Ängste und Unsicherheiten von Liebesversuchen thematisierte.

Die anderen Texte hatten eher außerliterarische Qualitäten. Teenager, die sich auf dem Schulhof, im Urlaub oder auf der Straße finden, verlieren, mißverstehen und ihre klaren Sehnsüchte aneinander richten, heißen: André und ich, Miriam und Michael, Jens und Tina, Richard und Dominik, Katja und Victor. »Sandro« wird begehrt von »Vivian«, doch Sandro beachtet nur »diese doofe Jasmin«. Der Junge in den Augen der Mädchen ist vor allem »niedlich«, »süß«, »total süß«, hat sein »braunes Haar irre zusammengefönt«, sieht »echt toll aus mit seinen schwarzen Haaren und den intensiv blauen Augen«, ist »etwas kleiner als ich, gut gebaut, sportlich«, hat »kurzes, dunkelblondes Haar und wunderschöne blaue Augen«, oder »eine neue Levis und ein buntes Hemd angezogen«.

»Vollkommen happy« sind die Liebenden, wenn's klappt, und das Ende der Geschichte ist meist »der Anfang einer neuen Freundschaft«, »hoffentlich schreibt er bald« oder, zusammenfassend: »Unsere kleine Fahrradtour, die für uns beide so harmlos begonnen hatte, währt nun schon bald ein halbes Jahr.« Zuweilen ist man am Schluß auch etwas traurig und resignativ: »Nach diesem Kuß wußten sie, dies sei die größte und letzte Liebe ihres Lebens«, schreiben zwei AutorInnen, die gerade zwölf sind, und nachdem der Liebling einer sozialkritischen Schwulengeschichte überfahren wurde, geht es für den Liebhaber gleich ins Nimmermehr: »Verzeih mir Richard, ich werde dich ewig lieben.« Detlef Kuhlbrodt

Anm. d. Red.: Am kommenden Samstag werden endlich die Sieger im Kurzgeschichtenwettbewerb der taz-Berlin-Kultur verkündet und die ersten Geschichten gedruckt!

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