: »Catch as Catch can«, wenn's ums Vermögen geht
■ »Fristgerecht« zum 31.12. wird in den Ostmedien abgewickelt/ Was übrigbleibt ist konkurrenzlos bis schlecht
Berlin. Es eilt — soviel ist sicher. Unaufhaltsam rückt der 31.12. näher: laut Einigungsvertrag müssen die vier in der Nalepastraße produzierenden Ostberliner Sender zum Jahresende dichtmachen. Mit dem 1.1.92 endet die Verantwortung des Rundfunkbeauftragten Rudolf Mühlfenzl für die Auflösung der Rundfunkinstitutionen der Ex- DDR. Die Grundstücke in der Nalepastraße und in Adlershof gehen dann in die Zuständigkeit der Länder über. Die Liegenschaften und das Programmvermögen der sogenannten »Einrichtung« sollen nach einem Verteilerschlüssel auf die neuen Bundesländer aufgeteilt werden. Bis zur magischen Deadline soll noch schnell die Zustimmung der Länderchefs eingeholt und eine GmbH gegründet werden, die das Vermögen nach dem 1.1. verwaltet. Doch trotz der umtriebigen Bemühungen, dem Verfahren noch eine geordnete Form zu geben, ist zu befürchten, daß es bei den Verhandlungen um die Liegenschafts- und Programmvermögensaufteilungen zwischen den neuen Ländern zu einer »Catch-as-Catch-can«- Auseinandersetzung kommen wird.
Besonders bemüht ist man indes, das Übernahmeverfahren so zu gestalten, daß die bisherigen Arbeitsverhältnisse von den neuen Rundfunkanstalten nicht in einer Rechtsnachfolge fortgesetzt werden müssen. Sämtliche Mitglieder der »Einrichtung« (mit Ausnahem der »Klangkörper« und des Balletts) haben »fristgerecht« am 15. September ihre Kündigungen erhalten. Es wird mit einer Welle von mehreren hundert Klagen gegen diese Kündigungen gerechnet. Hätten sie Erfolg, würde dies für die Länder eine teure Angelegenheit. Wie Mühlfenzl vor dem Medienausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses mitteilte, könnten einzelne »qualifizierte Kollegen« in Zukunft aber durchaus an gemeinsamen Produktionen des SFB beteiligt werden. Zudem hätten der Mitteldeutsche, der Brandenburgische und der Norddeutsche Rundfunk bereits Stellen ausgeschrieben, auf die sich die Mitarbeiter der »Einrichtung« bewerben könnten. Einige »gute Leute« seien auch schon von privaten Anbietern engagiert worden. Für den Rest bleiben neben einer Abfindung von 3,7 Monatsgehältern ABM-, Um- und Weiterbildungsmaßnahmen. Diese können sich nach Aussage von Ferdi Breidbach — erfahrener PR-Manager und im Auftrag Mühlfenzls Leiter der Um- und Weiterbildungsabteilung — »leider« nicht einzig an der Fortführung der bisherigen Tätigkeit orientieren, sondern müßten sich vor allem nach den zukünftigen Vermittlungschancen richten. Mühlfenzl betonte mehrfach, es könne sich bei der Übernahme von Einzelpersonen aus der »Einrichtung« ausschließlich um »Einzelverpflichtungsverfahren« handeln, keinesfalls aber um die Übernahme von ganzen Gruppen. Die Mitarbeiter von DS Kultur werden bis zur Einigung über den nationalen Hörfunk (den DS Kultur, RIAS 1 und DLF gemeinsam bilden sollen) beim ZDF »geparkt«, müssen sich aber alle einzeln bewerben.
Der Berliner Rundfunk wird wohl privat weitergeführt, die Zukunft von DT64 sieht düster aus. Schmücken tut man sich damit, daß vor allem unverfängliche Klassik und ziemlich altbackene, auffällig nach 50er-Jahre-Muff riechende Unterhaltungssendungen (Ein Kessel Buntes) erhalten bleiben. Aber immerhin: Das Ost-Sandmännchen darf weiterhin zur Guten Nacht in die Wohnstuben schweben. Sandra Seubert
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