piwik no script img

SPD und CDU stellen sich vor Polizeichef

■ Rücktrittsforderung sei »unangemessen und töricht«/ Generalstaatsanwalt bestätigt, daß es keinen Verdacht gegen Polizeipräsidenten gegeben habe

Berlin. Polizeipräsident Georg Schertz wird aller Voraussicht nach weiterhin im Amt bleiben. Einen Rücktrittsantrag, den die FDP heute im Abgeordnetenhaus stellen will, wird die SPD/CDU-Koalition ablehnen. Die FDP sollte sich zu schade sein, ihre politischen Forderungen auf die Wichtigtuerei eines ehemaligen Stasi-Führungsoffiziers zu stützen, erklärte gestern CDU-Chef Klaus Landowski. Es sei mit unserer Demokratie nicht weitbestellt, so der Fraktionsführer weiter, wenn jemand zurücktreten solle, weil er Verwandte im Osten besucht habe. Die FDP-Fraktion hatte ihren Antrag bereits vor einigen Wochen angemeldet, weil der Polizeipräsident seinen Aufgaben angeblich nicht gerecht werde.

Bündnis 90/ Grüne forderten dagegen eine Sondersitzung des Innenausschusses, um weitergehend aufgeklärt zu werden. Beantwortet werden müsse auch, warum die Öffentlichkeit nicht über die hausinternen Untersuchungen der Polizei informiert worden sei. Die FDP soll ihren Antrag zurückziehen, bis alle Fakten auf dem Tisch liegen, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Wolfgang Wieland.

Gegen Schertz habe es nie ein Ermittlungsverfahren wegen möglicher Kontakte zur DDR-Staatssicherheit gegeben, bestätigte gestern Dieter Neumann, Berliner Generalstaatsanwalt. Der Polizeichef sei lediglich als Zeuge in einem Verfahren gegen fünf mutmaßliche Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes gehört worden. Das Verfahren richte sich nunmehr gegen fünf namentlich bekannte Beschuldigte. Davon seien drei ehemalige hauptamtliche Stasi- Mitarbeiter.

Die Hamburger Illustrierte 'Stern‘ hatte in einem Vorabdruck ihrer heutigen Ausgabe berichtet, daß Schertz jahrelang von seinem Ostberliner Cousin für die Stasi ausgehorcht worden sei.

Der Stasi-Cousin habe 1988 dem Polizeivetter geraten, Schilder vor dem damals besetzten Lenné-Dreieck aufzustellen, die vor verbuddelter Munition warnten, um das Mauer-Grundstück leichter räumen zu können. 1987 habe Schertz seinem Verwandten erzählt, daß zur Reagan-Demonstration »Chaoten aus Westdeutschland« zu erwarten seien. Der Bespitzelte, so die Illustrierte, sei beim Geheimdienst unter dem Namen »Insel« geführt worden — Schertz wohnt auf der Insel Schwanenwerder.

Die Innenverwaltung äußerte sich gestern nicht zu der Behauptung des 'Stern‘-Autors Werner Matthes, daß Schertz den Verfassungsschutz erst über seinen Ost-Cousin informierte, nachdem es einen vermeintlichen Versuch gegeben habe, seinen Sohn anzuwerben. Dieter Schenk, Polizei-Vizepräsident, sagte ebenfalls nichts zu dem Vorwurf, daß er gegen die sogenannte heiße Quelle in der Polizeispitze nur hausintern ermittelt habe. Dirk Wildt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen