: Strauß handelte aus Nächstenliebe
■ Die bayerische Staatsregierung will Franz Josef Strauß in besseres Licht setzen/ Er habe sich für die menschliche Erleichterung in den Beziehungen zur DDR eingesetzt
München/Berlin (dpa) - Als ein „Werk der Nächstenliebe“ hat die bayerische Staatsregierung den Einsatz des verstorbenen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß für menschliche Erleichterungen in den Beziehungen zur einstigen DDR gewertet.
Dazu hätten auch die Kontakte von Strauß zu dem ehemaligen DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski gedient.
Ihm hatte Strauß nach der Vermittlung des Milliardenkredits an die DDR 1983 insgesamt 39 Listen mit rund dreitausend „schwerwiegenden Fällen“ von Familienzusammenführungen aus der ganzen Bundesrepublik übergeben.
75 Prozent seien positiv entschieden worden, sagte der Staatssekretär in der bayerischen Staatskanzlei, Johann Böhm, gestern im Landtag.
Auf Wunsch der Christsozialen schilderte Johann Böhm ausführlich die deutschlandpolitische Entwicklung nach dem Kredit, von der Entfernung von Tretminen im Grenzbereich bis zum erleichterten Zwangsumtausch.
Die CSU hatte um den Bericht gebeten, da sie das Ansehen von Strauß durch die parlamentarische Untersuchung der Rolle von Schalck-Golodkowski zunehmend gefährdet sieht.
Zur Kritik der Opposition, Strauß habe auch wirtschaftliche Vorteile für die bayerischen „Fleischgiganten“ Marox und Moksel vermittelt, meinte Böhm: „Es war umgekehrt.“ Strauß habe die guten Kontakte von Marox-Chef Josef März und der Moksel AG „benutzt“, um menschliche Erleichterungen zu erreichen.
Der SPD-Abgeordnete Klaus Hahnzog wertete Böhms Bericht als „Kabarettvorlage“ mit viel „Politpoesie“.
Die CSU-Regierung verschweige völlig die wichtige Rolle der SPD-Politiker Willy Brandt und Egon Bahr in der Deutschland- und Ostpolitik.
Manfred Fleischer (Grüne) wollte nicht bestreiten, daß es eine Reihe von Verbesserungen im innerdeutschen Verhältnis „auch auf Initiative von Strauß“ gegeben habe. Es sei aber „Geschichtsklitterung“, alle Kontakte auszuklammern, die zu wirtschaftlichen Zwecken gedient hättten.
Dagegen wandte der stetlvertretende CSU-Fraktionschef Hans Spitzner (CSU) ein, gute Geschäfte im innerdeutschen Handel seien nicht von vorneherein etwas Negatives gewesen. Auch SPD-Ministerpräsidenten hätten sich bei den Messen in Leipzig für Unternehmen in ihren Bundesländern eingesetzt eingesetzt.
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