: Zuckersüße Baby-Droge
Karslruhe (ap/taz) Nicht erst auf dem Schulhof, schon am Kinderbett lauern gefährliche Drogen und skrupellose Dealer: der Zucker und die Hersteller von Babynahrung. Die Firma Milupa wurde vom Bundesgerichtshof zu Schadenersatz verurteilt, weil der Dauergebrauch ihres Kindertees die Zähne tausender Kinder ruinierte.
Der Kindernahrungshersteller Milupa muß für die Zahnschäden haften, die durch Dauernuckeln an Fläschchen mit gesüßtem Kindertee entstanden sind. Mit diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Frankfurter Gericht bestätigt, das Milupa wegen nicht ausreichender Warnungen vor Kariesbefall zu Schmerzensgeld in noch unbestimmter Höhe verurteilte.
Enstanden war das sogenannte Baby-Bottle-Syndrom, nachdem Milupa den gezuckerten Tee zusammen mit einer kleinen Flasche aus Plastik im Jahr 1979 in den Verkauf gebracht hatte: Das Fläschchen, das leer nur ein Zehntel der doppelt so großen herkömmlichen Glasflasche wiegt, konnten die Kleinkinder selbst halten und sich so ständig bedienen. Erleichtert wurde dies noch durch ein kleines Loch im Sauger der Flasche, durch den der Flüssigkeitsstrahl direkt auf die Hinterseite der oberen Schneidezähne zielte.
Nach Ansicht des BGH hätte die Firma von Anfang an über die möglichen schädlichen Folgen unterrichten müssen. Zwar seien weder der gezuckerte Tee, noch die „kinderleichte“ Flasche, noch der Sauger für sich besehen fehlerhaft, doch hätten diese drei Faktoren zusammen mit der Werbung, die den Tee als Einschlafhilfe anpries, das „Dauernuckeln“ provoziert. Der Sorgfaltspflicht habe Milupa auch in späteren Jahren nicht entsprochen, als zwar Warnungen in die Gebrauchsanweisung hineingeschrieben worden seien, jedoch nicht sehr deutlich und recht versteckt. Die Entscheidung erging aufgrund der Klage von den Eltern eines Jungen, die ihrem Kind Anfang der 80er Jahre täglich bis zu zehn Fläschchen gesüßten Milupa- Kindertee und damit rund 120 Gramm Zucker als Einschlafhilfe gegeben hatten. Dem fünf Jahre alten Daniel mußten dann 1985 insgesamt sechs von Karies befallene Schneidezähne entfernt werden. Laut eines Gutachtens sind insgesamt 100.000 Kindergebisse dem Baby-Bottle- Syndrom zum Opfer gefallen. Der Frankfurter Anwalt Christoph Kremer, Vertreter von weiteren 45 erkrankten Kindern, schätzt, daß durch die gezuckerten Produkte der Firmen Milupa AG, Hipp KG und Nestle-Alete-GmbH ein Schaden von bis zu drei Milliarden Mark entstanden ist. Wie ein Milupa-Sprecher noch mitteilte, werde das Teefläschchen in den nächsten Wochen vom Markt genommen und durch eine spezielle „Kindertrinktasse“ ersetzt. Dadurch solle der „Nuckeleffekt“ verhindert werden.
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