Lockerbie-Verdächtige angeklagt

■ US-Regierung erwirkt Anklagebeschluß gegen libysche Geheimdienstagenten wegen Flugzeugattentats

Washington/Paris (ap/wps/taz) — Die Verdächtigen sind identifiziert, die Klageschrift fertig, doch sollte es je zum Verfahren kommen, wird die Anklagebank voraussichtlich leer bleiben. Fast drei Jahre nach dem Bombenanschlag auf den Pan-Am- Jumbo-Jet, der am 21. Dezember 1988 über dem schottischen Ort Lockerbie explodierte, wird nun Klage gegen die mutmaßlich Verantwortlichen erhoben. Bei dem Attentat waren 270 Menschen getötet worden, darunter alle Passagiere sowie 11 Bewohner des Dorfes.

Nach Informationen aus Washingtoner Regierungskreisen handelt es sich bei den Beschuldigten unter anderen um den libyschen Geheimdienstagenten Ibrahim Naeli sowie einen weiteren Libyer, der den Ermittlungen zufolge jene Kleidungsstücke gekauft haben soll, in die die Bombe eingewickelt war.

Gemeinsame Recherchen hatten US-amerikanische und französische Behörden auf die Spur des libyschen Geheimdienstes geführt. Bei einem hochrangig besetzten Treffen im September 1988 in Tripolis sollen libysche Geheimdienstmitglieder nicht nur den Lockerbie-Anschlag, sondern auch das Bombenattentat auf ein französisches Flugzeug am 19. September 1989 gepant haben. Damals explodierte eine DC-10 der UTA auf dem Flug von Brazzaville nach Paris über der Sahara. Alle 170 Passagiere starben.

Im Fall der UTA-DC-10 hatte der zuständige französische Richter Jean-Louis Bruguiere bereits am 30. Oktober internationale Haftbefehle gegen vier hochrangige libysche Geheimdienstler ausgestellt, darunter den Schwager des libyschen Staatschefs Gaddafi, Abdallah Senoussi, sowie den stellvetretenden Außenminister Moussa Koussa. Der Tatvorwurf lautet auf Planung und Vorbereitung eines Sprengstoffanschlages. Dieser spektakuläre Schritt hat dem Juristen Ärger mit der französischen Diplomatie eingebracht. Denn kurz vor Ausstellung der Haftbefehle hatte Außenminister Dumas von einem „neuen Kapitel in den Beziehungen zu Libyen“ gesprochen.

Doch in Frankreich wie in den USA stehen die Behörden vor dem Problem, die Verdächtigen zwar zu kennen, ihrer aber nicht habhaft zu sein — es sei denn, man versucht sie zu kidnappen, wie die 'Los Angeles Times‘ spekulierte. Ein Auslieferungsabkommen zwischen Libyen und den USA gibt es nicht — und selbst wenn, glaubt in den USA niemand daran, daß Staatschef Gaddafi seinen Schwager überstellen würde. Im Falle des französischen Ermittlers ist die libysche Regierung in die Offensive gegangen und hat Bruguiere eingeladen, in Libyen seine Untersuchungen weiterzuführen. Für seine Sicherheit werde garantiert. Bruguiere hat auf dieses Angebot bislang nicht reagiert. Bekannt ist lediglich, daß er um verstärkten Polizeischutz gebeten hat. anb