: Virencocktail gefällig?
■ Sie kommen meistens aus dem Osten und fegen die Amtsstuben leer
Im Herbst werden nicht nur die Blätter rot, sondern auch die Nasen. Bei feucht-kaltem Wetter werden Mützen, Schals und Handschuhe aus dem Schrank geholt. Aber in der Regel nützt es nichts: Husten und Schnupfen stellen sich so unvermeidbar ein wie die Schokoladenweihnachtsmänner im Kaufhaus. Eine Bremer Apotheke dekoriert ihr Fenster mit einem „Grippegespenst“ und preist allerlei Mittelchen gegen das Übel.
Eine vielgepriesene Gegenwehr gegen Laufnasen und Dröhnköpfe ist die Grippeschutzimpfung. Sie soll verhindern, daß Produktionszweige ausfallen und der öffentliche Dienst lahm liegt. Doch was ist dran, an dem immunisierenden iekse e Hermann Schulte-Sasse, beratender Arzt bei der AOK, räumt erstmal mit einem weitverbreiteten Irrglauben auf: „Was die meisten Leute für eine Grippe halten, ist in Wirklichkeit eine starke Erkältung.“ Die aber wird nicht durch Grippeviren, sondern durch Erkältungsviren ausgelöst. Eine Grippeschutzimpfung nützt da gar nichts. Grippe hat man, wenn
sich hohes Fieber einstellt, Gliederschmerzen, erhöhte Lichtempfindlichkeit und ein trockener, schmerzhafter Husten.
Alle anderen winterlichen Beschwerden sind zwar lästig, aber harmlos. Eine richtige Grippe dagegen kann nach Auskunft von Schulte-Sasse für bestimmte Personengruppen durchaus gefährlich werden. Dazu zählen alle Älteren Menschen über 60 sowie Personen mit bestimmten Grundleiden, die den Körper ohnehin schwächen.
Der Grippevirus ist laut Schulte-Sasse „ein Chamäleon“. Es gibt nicht den Virus, sondern immer wieder verschiedene Spielarten. Impfen lassen kann man sich aber nur gegen den Erreger, der gerade grassiert. Damit ist man dann für ein halbes bis ganzes Jahr immun — gegen diesen speziellen Erreger. Oft wird allerdings auch eine „Cocktail-Impfung“ mit mehreren Viren verabreicht, um die Trefferquote zu erhöhen.
Welche Erreger gerade massenhaft in den Atemwegen wüten, können die MedizinerInnen vorhersehen, denn die Epidemien breiten sich meist zuerst in Kleinasien und den östlichen Ländern aus. Die Viren werden analysiert und daraus der richtige Cocktail gemixt. Er besteht übrigens aus inaktivierten Viren.
Das Impfrisiko schätzt Schulte-Sasse gering ein, lebensbedrohliche Gegenreaktionen des Körpers schließt er aus. Es könne allerdings nach einer Impfung zu „grippesymptomatischen Beschwerden“ kommen. Als halbwegs gesunder Mensch kann man natürlich auch auf die Impfung pfeifen, sich einfach seine Grippe nehmen und sich gemütlich ins Bett packen. asp
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