: Ein aufrechter SPD-Genosse
■ Gedenkveranstaltung zum 100. Geburtstag des Widerstandskämpfers und SPD-Mitglieds Julius Leber
Berlin (taz). Weit über 1.000 hauptsächlich ältere Genossen und Genossinnen, Gewerkschaftler und eine Handvoll Bundeswehroffiziere folgten gestern mittag einer Einladung der SPD-nahen Friedrich- Ebert-Stiftung in die Gethsemanekirche am Prenzlauer Berg, dem Zentrum der Opposition im Frühherbst 1989.
Gedacht wurde Julius Leber, SPD-Reichstagsabgeordneter während der Weimarer Republik und Widerstandskämpfer im Dritten Reich. Schon zwei Monate nach der Machtübernahme der Nazis wurde er erstmals festgenommen und für vier Jahre inhaftiert.
Nach den Worten des SPD-Vorsitzenden Björn Engholm sollte es mehr »als eine beliebige Gedächtnisfeier« werden. Der Kühle aus dem Norden betonte, es gelte »für die Wahrung der Menschenwürde den letzten Einsatz nicht zu scheuen«.
Leber, der nach dem mißlungenen Attentatsversuch auf Hitler vom 20. Juli 1944, »aufrecht, ungebeugt, die Blutrichter direkt fixierend« sein Todesurteil entgegennahm, sei von der Prämisse ausgegangen, daß nur Gerechtigkeit und Menschlichkeit Liebe erzeugten, auf der man »ein unverkrampftes Verhältnis zum Vaterland aufbauen« könne.
Auch Helmut Schmidt gedachte Leber als einen »mit großem Vertrauen bedachten Arbeiterführer, der zum Handeln bereit war«. Die menschliche und politische Größe, die Leber nach dem Scheitern des Attentats im Prozeß vor dem Volksgerichtshof bewiesen habe, mache ihn zu einem »zeitlosen Vorbild«, sagte Schmidt. Zum politischen Vermächnis Lebers gehöre der Grundsatz, daß Patriotismus immer auch das Angebot zum friedlichen Zusammenleben mit Nachbarnationen umfassen müsse. Leber habe sich stets entschieden gegen nationalistische Bestrebungen gewandt, wie sie in Ausschreitungen gegen Ausländer gegenwärtig erneut zu beobachten seien. Der SPD-Ehrenvorsitzende Willy Brandt charakterisierte Julius Leber als einen aufrechten Mann, »dem es zuwider ist, andere für sich tapfer sein zu lassen«.
Walter Momper veranlaßte den Lagedienst der Polizei eine Einsatzbereitschaft zum Prenzlauer Berg zu entsenden. Grund der Besorgnis war ein Hinweis aus Juso-Kreisen, daß Autonome angeblich beabsichtigt hätten, die Veranstaltung zu stören. Laut Mitteilung der Polizeipressestelle sei jedoch »überhaupt nichts dergleichen passiert«. Christian Haase
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