INTERVIEW: „Die Anhörung war eine eklatante Niederlage für die CDU/CSU“
■ Christina Schenk, als Abgeordnete von B 90/Grüne im Sonderausschuß „Schutz des ungeborenen Lebens“, über das §218-Hearing in Bonn
taz: Hat die dreitägige Anhörung in Bonn den Arbeitsauftrag des Sonderausschusses befördert, einen Kompromiß in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs zu erzielen?
Christina Schenk: Alle Gespräche, die im öffentlichen Rahmen über dieses Thema stattfinden, tragen dazu bei. Doch der Kompromiß, das ist auf der Anhörung erneut deutlich geworden, kann nur zwischen SPD und FDP stattfinden. Da wird es wohl jetzt nach der Anhörung auch zu intensiven Verhandlungen außerhalb des offiziellen Programms kommen. Im Sonderausschuß wird sich vermutlich dazu nicht viel tun. Die ganze Anhörung war eine Show für die Öffentlichkeit.
Sind ein paar neue Argumente gefallen?
Nein, aber dennoch gibt es zwei positive Resultate: Ich halte die ganze Anhörung für eine eklatante Niederlage für die CDU/CSU. Davon zeugten auch deren betretenen Gesichter. Ein CDU-Ausschußmitglied sagte gestern sogar: Es ist deutlich geworden, wir müssen nacharbeiten. Denn die überwiegende Mehrheit der ExpertInnen war sich einig darüber, daß eine Indikationsregelung im Grunde unsinnig ist und am Problem vorbei geht. Indikationen sind nicht objektivierbar, das ist zwar trivial, kam aber noch einmal schön deutlich zum Ausdruck. Und es wurde auch ganz unverschleiert gesagt, daß die Indikation einzig und allein den Zweck hat, Frauen ein schlechtes Gewissen zu machen, Druck auszuüben. Zweitens kam heraus, daß die Zwangsberatung nicht nur sinnlos ist, sondern in manchen Fällen auch krank machen kann. Das haben ExpertInnen gesagt, die mit Beratung zu tun haben.
Was ist für Sie also das Fazit des Hearings?
Diese beiden Punkte. Darüber hinaus hat mir diese Veranstaltung die Fragwürdigkeit des Demokratieverständnisses erneut vor Augen geführt. Die CDU/CSU hat Zeitdruck gemacht, was dazu führte, daß die Expertisen nicht rechtzeitig da waren, wir uns also nicht gründlich einarbeiten konnten. Außerdem war die Anhörung ganz und gar unausgewogen...
Im Vorfeld gab es Kritik, daß ExpertInnen aus dem Osten bei der Einladung so gut wie gar nicht berücksichtigt worden waren. Ist das vor der Anhörung korrigiert worden?
Nein, aber die Ausschußvorsitzende mußte den Fehler wenigstens zugeben. Die kleine Nachanhörung Anfang Dezember wird zwar ein besseres Ost-West-Verhältnis bringen, macht aber die Sache auch nicht mehr gut. Unmöglich fand ich aber auch die Unausgewogenheit bei den Auffassungen, daß mehr VertreterInnen aus der konservativen Ecke vertreten waren als andere. So durfte die CDU/CSU als stärkste Fraktion im Sonderausschuß 16 Sachverständige einladen, ich hingegen nur eine. Das Runde-Tisch-Modell wäre auch bei Anhörungen das einzig Richtige.
Noch mal zum Sonderausschuß: SPD, FDP, Bündnis 90 und PDS haben dort zusammen mit 22 VertreterInnen die Mehrheit. Sehen Sie unter denen die Einigung auf einen gemeinsamen Vorschlag kommen?
Schwerlich. Denn die Zwangsberatung, wie sie bisher im FDP-Entwurf vorgesehen ist, können wir so nicht akzeptieren. Es stellt sich die Frage nach den Bedingungen der Beratung, ob nur ausgewählte Beratungsstellen das machen dürfen oder, wie bisher, auch die Ärztin oder der Arzt des Vertrauens. Ferner nach dem Ziel der Beratung: Bei der FDP ist klar formuliert, daß sie dem „Lebensschutz“ zu dienen hat. In der Frage des Strafrechts kann ich nur hoffen, daß die SPD ihre Möglichkeiten noch nutzt. Aus der Anhörung ist das nicht deutlich geworden. Interview: Ulrike Helwerth
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