: EG: Wem die Stunde schlägt
■ Mitterrand und Kohl sehen die EG in eine Katastrophe schlittern, falls die Reformen in Maastricht scheitern/ Frankreichs Präsident redet Kohl Anerkennung von Kroatien und Slowenien aus
Bonn (dpa) — Kanzler Helmut Kohl und der französische Staatspräsident Francois Mitterrand sehen für Europa eine „Katastrophe“ heraufziehen, sollte die geplante Reform der Gemeinschaft beim kommenden Gipfeltreffen in Maastricht scheitern. Nach zweitägigen Gesprächen in Bonn sah Kohl „trotz Schwierigkeiten weiter Grund zum Optimismus“. Es sei noch „viel guter Wille und Durchsetzungsvermögen nötig, um den Erfolg zu erreichen“, betonte dagegen Mitterrand.
Beide vermieden es sorgfältig, in ihren Erklärungen zur EG-Reform die kritische Haltung Großbritanniens zu wesentlichen Punkten der Europäischen Union zu erwähnen. Sie nannten mit Rücksicht auf die noch laufenden Verhandlungen öffentlich auch keine Kompromißmöglichkeiten. Der Kanzler betonte allerdings, die EG könne sich in Maastricht weder ein Ergebnis auf dem kleinsten Nenner noch eine Verlängerung der Verhandlungen oder gar ein Scheitern leisten. Bei dem EG- Gipfel müsse es zu einem „irreversiblen Schritt auf dem Weg zur Europäischen Union kommen“, erklärten Kohl und Mitterrand, die sich nach eigenen Angaben in allen Kernpunkten der geplanten Reform einig sind.
Sollte der Gipfel in Maastricht scheitern, sehen die beiden „Vorreiter“ für die Vereinigten Staaten von Europa schlechte Zeiten kommen. Dies wäre nach den Worten Mitterrands ein „historisches Drama“ und „der Beginn des Niedergangs für die Gemeinschaft“ mit dem Wiederaufziehen „nationalen Wettbewerbsdenkens“. Kohl nannte Maastricht eine „Schicksalsstunde für Europa“. Ein eventuelles Scheitern des EG- Gipfels wäre aus seiner Sicht eine „Katastrophe für die europäische Entwicklung“, für deren Bewältigung man länger als eine Generation benötigen werde. Eine diplomatische Anerkennung von Kroatien und Slowenien ist nach dem deutsch- französischen Spitzentreffen wieder in weitere Ferne gerückt. Einen Alleingang Deutschlands oder Frankreichs bei der Anerkennung der jugoslawischen Republiken wird es nicht geben. Beide befürworteten dazu ein „geordnetes Verfahren“. Man solle „nichts überstürzen in so bewegter Zeit“, sagte der französische Staatschef. Kohl versicherte, daß sich die Bundesrepublik trotz explodierender Kosten weiter am europäischen Raumfahrtprogramm beteiligen werde. „Niemand beschließt, daß wir hier aussteigen“, sagte der Kanzler. Strittig ist vor allem die Finanzierung für den Raumgleiter Hermes, die mittlerweile bei 15 Milliarden angelangt ist. Einzelheiten sollten aber erst im nächsten Jahr beschlossen werden. In den nächsten Monaten sollen auch die finanziellen Aspekte überprüft werden. Auch Mitterrand bekräftigte, daß beide Länder an der europäischen Raumfahrtpolitik festhielten. „Die Ziele stehen fest und werden eingehalten“, sagte er.
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