: Nach Dubrovnik wird jetzt Split angegriffen
Gestern hat die jugoslawische Bundesmarine die dalmatische Küstenstadt Split beschossen ■ Von Roland Hofwiler
Belgrad/Budapest (taz) — Deutlicher hätten gestern die jugoslawischen Generäle nicht ihre Abneigung gegen das am Donnerstag ausgehandelte dreizehnte Waffenstillstandsabkommen bekunden können: Erstmals seit Ausbruch des kroatischen Krieges beschoß die Bundesmarine die Hafenstadt Split, wurde in diesem bisher friedlichen Küstenabschnitt Dalmatiens eine neue Front eröffnet. Getroffen wurde nach Angaben des kroatischen Rundfunks eine Fähre, ein Museum, eine technische Oberschule und der dritte Stock des Rathauses. Die Schüsse fielen in den frühen Morgenstunden, nur kurze Zeit bevor das Fährschiff „Slavia“ mit 3.000 Flüchtlingen aus Dubrovnik an Bord den Hafen von Split anlaufen sollte. An Bord der völlig überbelegten Fähre waren neben Verwundeten, Kindern und schwangeren Frauen EG-Beobachter und Journalisten.
Erst am Donnerstag hatten die Generale einer entsprechenden Initiative der EG zugestimmt und die Evakuierung aus der seit Wochen belagerten Stadt erlaubt. Ebenfalls getroffen wurde auf der Höhe von Split ein von der Unicef gechartertes Luftkissenboot, das weitere Kinder aus Dubrovnik abholen sollte. Das jugoslawische Marinekommando teilte mit, der Angriff auf Split sei eine Vergeltungsaktion für die Versenkung eines jugoslawischen Kriegsschiffs, was von der kroatischen Seite umgehend dementiert wurde. An der ostslawonischen Front um Vukovar hielten gestern die Kämpfe unvermindert an, auch die Bundesluftwaffe flog wieder Einsätze über dicht besiedelte Gebiete Slawoniens. Radio Belgrad meldete, Bundestruppen hätten in der seit elf Wochen umkämpften Stadt den zentralen „Platz der Befreiung“ eingenommen, während die „faschistischen Kroatenverbände“ die serbisch-orthodoxen Kirche zu ihrer neuen Kommandozentrale ausbauten. Dem Sender zufolge flammten auch in der Küstengegend um Sibenik und in einzelnen Orten Westslawoniens erneut bewaffnete Auseinandersetzungen auf.
Für die Zagreber Tageszeitung 'Vecernji list‘ ist daher die gesamte Diskussion um die Stationierung von UNO-Blauhelmen nichts anderes als ein taktisches Manöver. Da man genau wisse, daß die „Blauhelme“ in den nächsten Wochen nicht einträfen, fordere man sie an, um von dem „Entscheidungsschlag“ gegen Kroatien abzulenken, den die Bundesarmee noch vor Einbruch des Winters durchführen werde. Während Kroatiens Präsident Tudjman gestern erklärte, es würden jetzt unter EG-Beteiligung Verhandlungen über den vollständigen Rückzug der Bundestruppen aus Kroatien aufgenommen, ließ die jugoslawische Armeeführung verlauten, es käme nicht in Frage, daß Friedenstruppen der UNO an Stelle der Bundesarmee bis zur kroatisch-serbischen Grenze vorrückten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen