: „Nicht jammern, sondern anpacken“
■ Wilhelmshavens Oberstadtdirektor Arno Schreiber steckt voller Tatendrang
In der Hafenstadt ist die alte Seemannsregel noch heilig: Der Oberstadtdirektor verläßt als letzter das sinkende Schiff. Arno Schreiber (53), diplomierter Volkswirt mit maritimer Erfahrung aus Norderney, Cuxhaven und Hamburg, prophezeit der alten Kaiserstadt Wilhelmshaven eine rosige Zukunft.
taz: Herr Schreiber, 1869 wurde Wilhelmshaven vom damaligen König von Preußen und späterem deutschen Kaiser Wilhelm I. als Flottenstützpunkt aus der Taufe gehoben. Wird die Stadt 1992 beerdigt?
Arno Schreiber: Mit Sicherheit nicht. Die Weiterentwicklung der Stadt steht auf einem soliden Fundament. Unser Pfund ist der Tiefwasserhafen und eine Fläche von über 1.000 Hektar, die wir als künftige Gewerbeflächen direkt am Wasser ausweisen können. In Europa wird jetzt die dritte Generation von Containern entwickelt, und keine andere Hafenstadt in Europa hat so viel freie Flächen wie Wilhelmshaven. Die Wirtschaft wird sich automatisch für Wilhelmshaven als Standort entscheiden.
Wo Sie investieren wollen, sind andere Städte schon lange beim Bau oder fertig: Bremerhaven baut einen neuen Terminal, Rotterdam hat die modernsten Anlagen...
Aber keine Stadt hat diese freien Flächen. Natürlich haben wir durch die Reduzierung bei Olympia eine schwere Zeit vor uns. 25 bis 28 Prozent Arbeitslosigkeit, das ist ja kein Zuckerschlecken. Aber das wird nur eine Übergangszeit. In etwa 18 bis 20 Jahren werden wir soweit sein, daß wir die Struktur hier geändert haben.
In einem modernen Containerterminal werden nur noch eine handvoll Leute arbeiten.
Das ist richtig. Unser Fehler war, daß wir ausschließlich auf Großindustrie gesetzt haben. Das war falsch. Großindustrie ist nur kapitalintensiv, sonst nichts. Arbeitsplätze müssen mittelständische Unternehmen bringen. Wilhelmshavens Monostruktur hat zu der Situation geführt, die wir jetzt haben. Die Mobil Oil ist weg, die Kammgarnspinnerei, jetzt AEG, dann die Reduzierung in der Marine, das wird uns schwer zu schaffen machen. Aber wir erfüllen alle infrastrukturellen Voraussetzungen, um diese Probleme zu lösen. Wir haben einen Autobahnanschluß, einen Flughafen, wir haben Ende der 60er Jahre den Tiefwasserhafen ausgehoben. Und wir haben Lebensqualität zu bieten. Da liegen unsere Chancen.
Womit wollen Sie anfangen?
Wir sind schon dabei. Wir haben ein Programm zur Wirtschaftsförderung aufgestellt, in dem insgesamt 49 konkrete Maßnahmen aufgelistet sind. Geplant ist als nächstes, einen Wirtschaftsverbund der gesmten Region zu organisieren. Der sollte sich von Emden bis Wilhelmshaven erstrecken, davon können alle nur profitieren. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Fischer hat ein Landesprogramm entwickelt, um die Region zu stützen. Ich sage immer: Nicht jammern, sondern anpacken, und ich bin sicher, daß wir es schaffen werden. Fragen: mad
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