: In Bremerhaven ist alles anders
■ Über die Schwierigkeiten in Bremerhaven einen Dezernenten loszuwerden
Der Bremerhavener Rechtsanwalt Dr. Manfred Ernst hat sich intensiv mit der Bremerhavener Magistratsverfassung beschäftigt. Für die taz beschreibt Ernst die juristische Problematik bei Abberufung eines hauptamtlichen Magistratsmitgliedes.
1. Die hauptamtlichen Mitglieder des Magistrats, zur Zeit sechs, werden von der Stadtverordnetenversammlung auf 12 Jahre gewählt, § 39 der StadtVerf. Dies ist nicht nur in der Stadtverfassung, sondern auch im Bremischen Beamtengesetz, §6 Abs.4, festgeschrieben. Die beabsichtigte Verkürzung der Dienstzeit hauptamtlicher Magistratsmitglieder auf 6 Jahre (Wunsch von Werner Lenz) bedürfte deshalb nicht nur einer Änderung der Stadtverfassung — 2/3 Mehrheit und Genehmigung des Senats —, sondern auch einer Änderung des Bremischen Beamtengesetzes durch die Bürgerschaft. Das wissen die Bewerber um das Amt des Kulturdezernenten bis jetzt nicht.
2. Hautamtliche Magistratsmitglieder sind Beamte auf Zeit. Sie treten mit Ablauf der Zeit für die sie ernannt sind, in den Ruhestand, § 42 Bremeische Beamtengesetz, und erhalten Ruhestandsbezüge (abhängig von der Dauer ihrer Tätigkeit),
Nach dem Bremischen Beamtengesetz endet das Beamtenverhältnis unabhängig von diesem Zeitpunkt nur durch
Tod
Entlassung
Verlust des Beamtenrechtes (Verurteilung im Strafverfahren)
Entfernung aus dem Dienst aufgrund eines Diszi
3. Wie üblich ist in Bremerhaven alles anders. § 41 der Stadtverfassung sieht unter der Überschrift „Entzug des Vertrauens“ vor, daß hauptamtliche Magistratsmitglieder vor Ablauf ihrer Wahlzeit „abberufen“ werden können. Den Begriff „abberufen“ kennt weder das Bremische Beamtengesetz noch die Bremische Verfassung (Senatsmitglieder z.B. wird das Vertrauen entzogen, dann müssen sie zurücktreten). Der Grund für diese Besonderheit liegt — wie ebenfalls üblich — nicht bei den Bremerhavenern, sondern bei den Bremern, die bei Abfassung ihres jüngeren Bremeischen Beamtengesetzes die ältere Bremerhavener Stadtverfassung nicht ausreichend berücksichtigten.
Weil es eine „Abberufung“ im Brem. Beamtengesetz nicht gibt, ist es schon zweifelhaft, ob der Beamtenstatus eines hauptamtlichen Magistratsmitglied überhaupt durch „Abberufung“ beendet werden kann. Nach meiner Auffassung geht hier das Landesgesetz der städtischen Satzung
(= Stadtverfassung) vor.
4. Was nach der „Abberufung“ geschieht, ist zweifelhaft, sicher ist nur: das Magistratsmitglied kann müßiggehen. Ob das bis zum Ende seiner Amtszeit bei vollen Bezügen geschehen kann oder nur zu Ruhegehaltsbezügen, ist offen und bisher nicht entschieden. Der Oberbürgermeister Gullasch z.B. vermied 1957 diese Situation durch seinen Rücktritt. Für die Ruhegehaltsbezüge spricht die bundeseinheitliche Regelung bei Wahlbeamten. Für volle Bezüge spricht die fehlende gesetzliche Regelung im Lande Bremen. Falls die letzte Ansicht richtig ist, hat dies zur Folge: Volle Bezüge bis zum zeitlichen Ablauf der Amtszeit, danach Ruhegehalt. Schließlich kann für das Magistratsmitglied, das nur kurz im Amt war (ist gegenwärtig aber keiner), der Bezug von Ruhegehalt vollständig entfallen.
5. Einem „abberufenen“ hauptamtlichen Magistratsmitglied ist ein guter Anwalt zu empfehlen. Die Chancen sind nicht schlecht.
Manfred Ernst
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