: Ein SED-Parteisekretär durfte nicht sterben
■ Krimi: Als Täter legten Funktionäre niemals Hand an — es sei denn, die Bluttat ereignete sich jenseits der Mauer
Berlin. Ein SED-Parteisekretär durfte in einem Kriminalroman aus der DDR nie einem Mord zum Opfer fallen. Auch als Täter legten Funktionäre niemals Hand an, es sei denn, die Bluttat ereignete sich jenseits der Mauer auf dem Gebiet das Klassenfeindes, da war alles erlaubt.
Für den früheren DDR-Kriminalroman gab es in den Lektoratsstuben der Verlage feste Regeln. Krimitauglich waren Oppositionelle wie Wehrdienstverweigerer, staatsverdrossene Bürger oder Jugendliche, die einen besseren Sozialismus wollten. Sogar ein am Bein verletzter Mauerflüchtling tauchte in einem Buch auf.
Das alles berichtete die frühere Ostberliner Lektorin Heidemarie Schmidt am Wochenende bei der von rund 30 west- und ostdeutschen Autoren besuchten Berliner »Krimiwerkstatt«. Als »kritisch« galt zu DDR-Zeiten schon die marginale Bemerkung, daß es kein Schmalz zu kaufen gebe. DDR-Krimis hatten Startauflagen von bis zu 100.000 Stück und waren trotz ihrer versteckten Anspielungen auch »Gehorsams- und Durchhalteliteratur«, so Schmidt. Ost-Krimis spielen oft in der Provinz, während westdeutsche Kommissare und Gangster meist im Dickicht der Großstadt kämpfen, hat die Sprachwissenschaftlerin Ulrike Burgwinkel herausgefunden. Ostautoren lassen ihre Figuren noch die Sprache Goethes und Fontanes sprechen, im Westen hat sich dagegen ein »action«-orientierter Drehbuchstil durchgesetzt — mit »allen sprachlichen Verunstaltungen«. Die Expertin hält die ostdeutschen Autoren trotz ihrer kunstvolleren Sprache letztlich für zu bieder: »Sie müssen schon ein bißchen fetziger schreiben«, findet sie. dpa
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