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Polizeizeugen gezielt auf Aussagen vor Gericht vorbereitet

Nachwehen einer Demonstration für Ingrid Strobl in Essen/ Vier Männer des schweren Landfriedensbruchs angeklagt/ Prozeß kam nur unter Schwierigkeiten zustande  ■ Von Bettina Markmeyer

Essen (taz) — Am 2. Februar 1989 demonstrierten in der Essener Innenstadt 10.000 Menschen aus der ganzen Bundesrepublik für die Freilassung von Ingrid Strobl. Die Spätfolgen dieser Demo werden jetzt vor dem Essener Amtsgericht abgewickelt. Vier Männer sind angeklagt, Landfriedensbruch begangen und Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet zu haben.

Sie sollen sich während eines massiven Schlagstockeinsatzes der Polizei daran beteiligt haben, Steine auszugraben, sie zu werfen und sich später ihrer Festnahme widersetzt haben. Starke Polizeieinheiten, darunter Sondereinsatzkommandos, hatten die DemonstrantInnen daran gehindert, zum Essener Gefängnis zu marschieren, wo Strobl zu dieser Zeit einsaß, so daß sie ihre Kundgebung zwischen Gericht und Polizeipräsidium abhalten mußten. Bei den Auseinandersetzungen waren etwa 40 DemonstrantInnen und 22 Polizisten verletzt sowie neun Menschen festgenommen worden.

Am letzten Dienstag, dem dritten Verhandlungstag, wurde in Essen deutlich, daß die Polizeizeugen gezielt auf den Prozeß vorbereitet worden sind und Absprachen trotz gegenteiliger Beteuerungen zweier leitender Essener Beamter nicht ausgeschlossen werden können. Einer der Leiter des damaligen Polizeieinsatzes hatte während seiner Befragung durch die Verteidigung ausgeplaudert, vor Prozeßbeginn einen sog. Dienstunterricht für alle Polizeizeugen angeregt und durchgeführt zu haben. Die Einladung zu dem polizeiinternen Zeugen-Stelldichein ist vom Essener Polizeipräsidenten unterzeichnet.

Die Beamten sahen sich gemeinsam ein Polizeivideo über die Demonstration an, wurden über „Rechte und Pflichten von Zeugen“ und über „Verteidigerstrategien“ aufgeklärt. Denn, so der Einsatzleiter, Angeklagte wie jene in Essen würden gewöhnlich „von Anwälten verteidigt, die mit den politischen Zielen der Angeklagten sympathisieren“. Da die „Straftäter“ — nicht: die mutmaßlichen Straftäter —, so der Beamte in seinem internen Brief weiter, dem sog. schwarzen Block zuzurechnen seien und nicht aus Essen stammten, sei davon auszugehen, daß sie an der Strobl-Demonstration nur teilgenommen hätten, um zu randalieren. Ihr Prozeß werde „große Resonanz“ in der Szene finden und müsse unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt werden.

Die VerteidigerInnen erklärten, die Polizeiführung versuche, „in massiver Weise auf das Verfahren einzuwirken“, weil es „weit über die zulässige Zeugenvorbereitung hinausgeht, Beamte mit Feindbildern zu beliefern“. Das Gericht will nun die Aussagegenehmigungen der Beamten erweitern lassen, um sie zum Inhalt ihres „Dienstunterrichts“ befragen zu können.

Der Essener Prozeß kam wegen Terminschwierigkeiten und Auseinandersetzungen über inzwischen fallengelassene Sicherheitsvorkehrungen erst im dritten Anlauf zustande. Das Verfahren gegen eine weitere Angeklagte wurde unterdessen wegen Geringfügigkeit eingestellt.

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