: Die PDS steht kurz vor der Pleite
Kommission fordert Aufrechnung von Alt- und Neuvermögen/ Gysi: Konkurs wird „organisiert“/ Den Altlasten von drei Millionen Mark stehen Einnahmen von einer Million entgegen ■ Aus Berlin Wolfgang Gast
Endzeitstimmung im Berliner Karl- Liebknecht-Haus: die Partei ist pleite, der Vorsitzende mit einem Bein im Gefängnis und Deutschland um eine Oppositionskraft ärmer. Gregor Gysi, Vorsitzender und Klammer zwischen den zerstrittenen Flügeln der Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) entwirft für die noch 180.000 Mitglieder der SED-Nachfolgeorganisation ein düsteres Bild.
Wenn die Unabhängige Kommission zur treuhänderischen Verwaltung der Parteivermögen heute wie erwartet ihre Grundsätze zur Frage des „materiell-rechtsstaatlichen“ Erwerbs der Partei- und Massenorganisationsvermögen beschließt, sieht Gysi seine Partei bereits mit dem Konkursverwalter konfrontiert. Der PDS, so fürchtet der Rechtsanwalt, würden beispielsweise bei den Immobilien neben der Berliner Parteizentrale nur zwei weitere Objekte als Eigentum verbleiben, die noch aus der Zeit der KPD von vor 1933 stammen.
Wesentlich einschneidender und für den Schatzmeister ein richtiges Debakel wird allerdings die Einschätzung der Kommission sein, daß auch der größte Teil der Beiträge, die noch zu Zeiten der SED von den über 2 Millionen Mitgliedern entrichtet wurden, nicht nach materiell-rechtsstaatlichen Kriterien eingenommen wurden und damit der Rechtsnachfolgerin PDS nicht mehr zur Verfügung gestellt werden sollen.
Eine Katastrophe ist dies für die PDS vor allem deshalb, weil sie auf der anderen Seite die Altlasten aus dem SED-Erbe übernehmen und auch alle Ausgaben rückwirkend zum dem 1. Juni 1990 mit dem Neuvermögen der PDS verrechnen soll. Tritt die Regelung in Kraft, ist heute schon abzusehen, daß die PDS hoffnungslos um Millionen überschuldet sein wird — denn Gysis Partei muß unter anderem die Soziallasten für die früheren Parteiarbeiter und deren Zusatzrentenversicherung aufbringen.
Nach eigenen Angaben nimmt die PDS zur Zeit aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden monatlich rund eine Million Mark ein. Doch allein schon die Zahlungsverpflichtungen aus den Zusatzrenten an die 11.000 Parteisenioren belaufen sich im Monat auf drei Millionen Mark.
Da er, Gregor Gysi, als Vorsitzender die Partei alleine im Rechtsverkehr vertreten muß, zielen die Maßnahmen seiner Meinung nach darauf ab, „ihn selbst in strafrechtliche Verantwortlichkeit zu verstricken“.
Das Recht verlange, daß Konkurs angemeldet wird, wenn eine Überschuldung abzusehen ist. Tue er dies nicht, könne er wegen betrügerischen Konkurses vor Gericht gestellt werden. Ähnliches geschehe aber auch, wenn er zur Vermeidung der anstehenden Überschuldung Löhne, Gehälter oder Renten nicht mehr auszahlen würde. Denn auch wer Sozialversicherungsbeiträge oder Lohnsteuern nicht ordnungsgemäß abführt, macht sich einer Straftat schuldig.
Als Strategie hinter den Maßnahmen sieht Gysi den Versuch, entweder die PDS zum Konkurs zu zwingen oder ihn in die Kriminalität zu treiben. Bundesregierung, Treuhand und Kommission setzten alles daran, den Konkurs der PDS „herbeizuorganisieren“.
Gregor Gysi sieht sich selbst in einer ausweglosen Situation, vor eine nicht zu lösende Alternative gestellt: Konkurs anmelden will er nicht — das wäre „das absolute Ende“ für die Partei. Doch „für die Partei in den Kahn [Gefängnis] gehen“ will er auch nicht. Am Ende der Pressekonferenz gestand der einst so agile Parteichef ein: „Ich bin einigermaßen ratlos.“
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