: Kurden: Abschiebung ohne Anhörung
■ Asyl-Anwälte kritisieren Ausländerbehörde / 21 Abschiebungen seit Aufhebung des Abschiebestopps vom 1.10.
„Das einzige, was in der Bremer Ausländerbehörde noch funktioniert, ist die Abschiebeabteilung.“ Mit dieser Klage wandten sich gestern die beiden in Asylfällen stark engagierten Bremer Rechtsanwälte Albert Timmer und Eberhard Schultz an die Öffentlichkeit. Seit der Aufhebung des Abschiebestopps für türkische Kurden am 1. Oktober seien insgesamt vier ihrer Mandanten abgeschoben worden, ohne daß die Ausländerbehörde über Asylfolgeanträge ordentlich entschieden hätte.
„In Bremen wird im Unterschied zu allen anderen Bundesländern keine persönliche Anhörung der Betroffenen mehr durchgeführt“, bemängelten die Anwälte, „und wenn dann gleichzeitig schriftliches Beweismaterial durch Schlamperei in der Postverteilung einfach nicht mehr in die Akten kommt, ist es in Bremen kaum noch möglich, Asyl zu bekommen.“
Einer der Betroffenen, der Kurde Mehmet Cibuk, hält sich seit der Ablehnung seines Asylfolgeantrags am 1.10. in Bremen versteckt. Er war nach Ablehnungen seines ersten Asylantrags im Oktober 1989 schon einmal in die Türkei abgeschoben, direkt am Flughafen in Istanbul verhaftet und fünf Tage lang gefoltert worden. Anschließend war er in seine kurdische Heimatstadt Bingöl überstellt worden, wo er noch einmal drei Monate lang inhaftiert blieb.
Nachdem die Polizei ihn als Spitzel gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK werben wollte, floh er erneut über Österreich nach Deutschland und stellte in Bremen einen Asylfolgeantrag. Der wurde dann von der Bremer Ausländerbehörde bereits drei Monate später mit der formularmäßigen Begründung abgelehnt, für die Inhaftierung in der Türkei fehle es „an entsprechenden tatsächlichen Hinweisen, daß ein wirkliches Geschehen dahintergestanden haben kann.“ Persönlich wurde Mehmet Cibuk zu seinem Asylantrag nicht gehört. Fazit des Anwalts Schultz: „Solange man keine amtliche Bestätigung mit Unterschrift und Stempel über seine Folterung vorweisen kann, gibt es in Bremen kein Asyl.“
Auch die Familie Artan war wie Mehmet Cibuk noch nach ihrer Flucht in die Bundesrepublik politisch aktiv — unter anderem durch Teilnahme an Besetzungsaktionen, Hungerstreiks und Demonstrationen, mit denen der kurdische Kampf gegen die türkische Zentralregierung unterstützt werden sollte. Obwohl über diese Aktivitäten sogar zahlreiche Presseartikel vorlagen, wurde auch ihr Asylantrag von der Bremer Ausländerbehörde als „offensichtlich unbeachtlich“ abgewiesen — ohne Anhörung der Betroffenen.
„Die Abschiebeabteilung läuft gut“, bestätigte gestern der zuständige Referent des Innensenators, Hans Pleister, die Klage der Anwälte. Da jedoch die Ausländerbehörde insgesamt auf 63 MitarbeiterInnen aufgestockt worden sei, bestünde demnächst auch für alle anderen Abteilungen „Anlaß zur Hoffnung“, daß sie wieder normal funktionierten.
Und Friedrich Pielenz, stellvertretender Leiter der Ausländerbehörde, bestätigte daß seit Beginn dieses Jahres fast immer auf persönliche Anhörung von Asylfolgeantragstellern verzichtet worden sei.
Seit einigen Wochen würden jedoch wieder verstärkt persönliche Anhörungen durchgeführt. Insgesamt seien seit Aufhebung des Abschiebestopps für türkische Kurden 21 abgewiesene AsylbewerberInnen in die Türkei abgeschoben worden, elf davon allerdings wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Ase
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