: Stinkende Socke würgt Fußballfan
Die neueste britische Tageszeitung 'Daily Sport‘ lockt täglich 240.000 KäuferInnen ■ Von Ralf Sotscheck
„Eine Frau, die 65 Jahre lang schwanger war, bringt einen Rentner zur Welt.“ Unglaublich? Dabei ist das eine der harmloseren Geschichten, die seit Oktober täglich im 'Daily Sport‘ erscheinen — Großbritanniens neuester Tageszeitung. Während andere Boulevardblätter mit Auflagenrückgang und einem Anzeigenmarkt kämpfen, der in den vergangenen zwei Jahren um fast ein Viertel geschrumpft ist, hielt Herausgeber David Sullivan die Zeit für eine „erfrischende Tageszeitung“ für gekommen.
'Daily Sport‘ ist freilich keine richtige Tageszeitung, sondern ein „Tits 'n' bums“-Blatt der schlimmsten Sorte. Von den 32 Seiten füllen Farbfotos halbnackter Frauen die Hälfte, Anzeigen für Telefonsex machen ein weiteres Viertel aus. Das ist ohnehin Sullivans Spezialgebiet: Dank seiner Sextelefondienste, Softporno-Magazine und Sexläden ist er in den Club der reichsten hundert Personen Großbritanniens aufgestiegen. Vor fünf Jahren brachte er 'Sunday Sport‘ auf den Markt, die am Anfang 800.000 Käufer fand. Zwar ist die Auflage inzwischen auf 370.000 gesunken, doch das reichte in diesem Jahr immer noch für einen Bruttogewinn von zwei Millionen Pfund (cirka sechs Millionen Mark). Was lag näher, als mit einem Kampfpreis von 30 Pence ins Tageszeitungsgeschäft einzusteigen?
Von profanen weltpolitischen Ereignissen bleiben die Leser verschont. Krieg in Jugoslawien? Es gibt Wichtigeres, zum Beispiel: „Stinkende Socke würgt Fußballfan.“ Das wollene Monster wollte der Waschmaschine entgehen, floh aus dem Wäschekorb und schlang sich seinem ehemaligen Träger um den Hals. Das Blatt berichtet auch über ungewöhnliche Beziehungsprobleme: „Liebeskranker Gärtner heiratet Kopfsalat.“ Das Glück war jedoch nicht von Dauer. Schon eine Woche später informierte die Zeitung ihre entsetzte Leserschar: Laura, der Kopfsalat, war von Blattläusen verspeist worden. Das Schmierenblatt leider nicht.
Immer wiederkehrende Themen sind Außerirdische („Gigantischer Rosenkohl aus dem All fraß meinen Freund“) und abstruse Sexstories („Busenwunder Susie Sawyer von linker Brust k.o. geschlagen“) — am besten jedoch eine Mischung aus beidem: „Als Fatma aus Versehen das Sahnebaiser auf den Boden fallen ließ, zeigte sich, daß es keine Süßspeise war — sondern ein UFO, das es auf ihren Schlüpfer abgesehen hatte: ,Der Sahnebaiser sauste unter meinen Rock, kam dann mit meinem Schlüpfer um sich gewickelt zum Vorschein und flog zur Tür hinaus.‘“ Für den „Experten“ Yilmaz Salih ist das nichts Besonderes: „Wir erhalten ständig Berichte von UFOs, die aus Sicherheitsgründen die Form gewöhnlicher Lebensmittel annehmen.“
Chefredakteur Peter Grimsditch, promovierter Experte für Latein und Altgriechisch, sagt, 'Daily Sport‘ mache ab einer verkauften Auflage von 200.000 Stück Gewinn. Der durchschnittliche Verkauf liegt zur Zeit sogar um 40.000 Exemplare höher. Doch damit gibt sich Grimsditch nicht zufrieden: In zwei bis drei Jahren will er die Auflage auf eine halbe Million schrauben. Dazu muß er Leser vom 'Star‘, der 'Sun‘ und dem 'Mirror‘ weglocken. „Das geht natürlich nicht mit der vorsätzlichen Idiotie des 'Sunday Sport‘“, gibt Grimsditch zu. Jetzt will er verstärkt „harte Nachrichten“ abdrucken.
Vielleicht überdenkt der Verband der Zeitungsverleger ja die Entscheidung, dem Blatt die Aufnahme zu verweigern, wenn die Kollegen die Enthüllungen über längst verblichene Prominente lesen: John Wayne, Buddy Holly, Marilyn Monroe, James Dean („in Boris Becker reinkarniert“), Elvis Presley — sie alle leben in Wirklichkeit noch, ebenso wie Adolf Hitler: „Das Biest von Berlin ist in der Gestalt des deutschen Malermeisters Robert Schneller wiedergeboren. Er lebt in dem Stuttgarter Vorort Feuerbach und weint: ,Ich bin Hitler geworden. Bitte, Gott, hilf mir.‘“
Den britischen Kindern ist dagegen nicht mehr zu helfen, ihr Weihnachtsfest ist versaut: Ein doppelköpfiger Weihnachtsmann hat sein Rentier gefressen. „Ich dachte immer, Rudolph sei unsterblich“, läßt das Blatt Philip Schofield, den Moderator einer Kindersendung, jammern. Die Erwachsenen warten unterdessen mit Spannung auf neue Nachrichten aus Schweden. Dort ist eine 32jährige Schwedin von einem fischköpfigen Außerirdischen vergewaltigt worden und nun mit einer achtpfündigen Forelle schwanger: „Die Ärzte rieten ihr, statt eines Kinderwagens ein Aquarium anzuschaffen.“
Das Blatt, das seine „besten Artikel“ sogar in Buchform veröffentlicht hat, macht bei frauenverachtenden Geschichten keineswegs halt. Die gemeingefährlichen „Journalisten“ haben sogar ein Rezept gegen die Verbreitung von Aids: „Tätowiert ihnen die Pimmel!“
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