Haitianisches Flüchtlingsschiff gesunken

■ Mindestens 140 Tote/ USA denunziert Boat People weiterhin als Wirtschaftsflüchtlinge

Havanna/Port-au-Prince (afp/taz) — Auf der Flucht vor dem haitianischen Militär sind vor der Ostküste Kubas vermutlich über 120 Menschen ertrunken. Über 200 haitianische Flüchtlinge wollten mit einem Segelschiff in die USA übersetzen, das nach Angaben der kubanischen Nachrichtenagentur 'ain‘ bereits am Dienstag bei schwerem Seegang kenterte und sank. 29 Menschen seien ertrunken, mehr als 60 wurden aus dem Wasser geborgen, etwa 100 werden noch vermißt. Die Rettungsarbeiten dauerten am Donnerstag abend an, es bestand jedoch wenig Hoffnung, die Vermißten lebend bergen zu können. Seit dem blutigen Militärputsch in Haiti vom 30.September haben mehrere tausend Haitianer ihre Heimat in kaum hochseetüchtigen und völlig überfüllten Booten verlassen. Die US-Regierung hatte Anfang der Woche verfügt, die nach Florida geflüchteten Haitianer in ihre Heimat abzuschieben. 35 Bootsflüchtlinge trafen am Mittwoch in Jamaika ein und werden dort möglicherweise Asyl erhalten. 100 weitere Haitianer wurden in Venezuela aufgenommen.

Unteressen hat die Sprecherin des US-Außenministeriums Margaret Tutwiler den Flüchtlingen jede politische Motivation abgesprochen. „Keiner kann beweisen, daß diese Menschen in Haiti Angst um ihre Leben haben oder daß man dort nachts nicht schlafen kann, ohne befürchten zu müssen, daß einer kommt und einen umbringt.“ In Port-au-Prince waren diese Worte über Radio zu empfangen — nur wenige Stunden, nachdem Journalisten wieder Maschinengewehrsalven aus den Slums der Hauptstadt vernahmen. Menschenrechtsgruppen beziffern in vorsichtigen Schätzungen die Zahl der Toten seit dem Militärputsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide am 30.September diesen Jahres auf mindestens 1.000.

Die Armee richtet ihre Überfälle dabei vor allem auf die Ärmsten der Armen in den Slums, unter denen der geflohene Präsident Aristide den stärksten Rückhalt hatte.

Gestern sollten in der kolumbianischen Hauptstadt Cartagena haitianische Abgeordnete mit dem gestürzten Präsidenten Aristide zusammentreffen, um unter Schirmherrschaft der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) über einen Ausweg aus der Krise in Haiti zu verhandeln. Jean-Bertrand Aristide hatte am Mittwoch in Paris für den Fall seiner Rückkehr an die Macht Zugeständnisse angekündigt.

Die Auswirkungen des Embargos der OAS gegen Haiti haben sich unterdessen massiv verschärft. Wirtschaft und öffentliches Leben sind vor allem wegen des Treibstoffmangels fast völlig lahmgelegt. anb