: Nur Magarine für Weißen Riesen
■ Die Gemeinsame Erklärung der Bundesrepublik und des russischen Präsidenten bleibt betont vage
Bonn (taz) — Präsident Boris Jelzin, dem Motor des russischen Umgestaltungsprozesses Richtung Marktwirtschaft, wurde in Bonn eine rauhe Lektion in Sachen Kapitalismus erteilt. Protokollarische Ehren und die Aussicht auf diplomatische Anerkennung der Republik Rußland können nicht die dünne Substanz der „Gemeinsamen Erklärung“ zudecken. Der „Weiße Riese“ mußte sich verpflichten, die Rückzahlung von Rußlands Auslandsschuldenanteil juristisch wie praktisch zu gewährleisten. Konkrete Kreditzusagen, vor allem Maßnahmen zur Stützung des Rubel bei dessen geplanter freier Konvertierbarkeit, blieben aus. Stattdessen Absichtserklärungen; in die Infrastruktur, den Energiesektor, die Erschließung neuer Erdöl- und Erdgasfelder und die Telekommunikation soll investiert werden. Fragt sich nur wann. Wo die Erklärung vage blieb, wurden die Unternehmenssprecher deutlich. Erst müßten die „Rahmenbedingungen“ für Investitionen geschaffen, d.h. das Finanz-, Geld- und Steuerrecht entsprechend den Bedürfnissen künftiger Anlieger umgestaltet werden. Immerhin bot Kohl die Errichtung eines gemeinsamen Gremiums an, das Investitionsvorhaben und ihre Realisierbarkeit abklopfen soll, und stellte Experten für den Aufbau eines Sozialversicherungssystems zur Verfügung — angesichts der zu erwartenden Massenarbeitslosigkeit in Rußland wenigstens ein realistischer Vorschlag. Der Held des Augustes war im Lauf des Freitags Gast bei Daimler (ob er wie Breschnew reich beschenkt wurde, ist d.Red. unbekannt) und dann zum Abendessen beim Bundesverband der deutschen Industrie. Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluß nicht vor.
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