Jelzin über Brandenburg „back in the USSR“

■ Wirtschaftsbeziehungen zu Ex-DDR sollen wiederbelebt werden/ Russischer Präsident besucht sowjetische Westgruppe/ Gemeinsamkeit zwischen Ostdeutschland und Rußland bei der wirtschaftlichen Umgestaltung/ Baden-Württemberg will ein Zentrum für Mittelstandsförderung im Ural errichten

Berlin (AFP) — Der russische Präsident Boris Jelzin hat zum Abschluß seiner dreitägigen Deutschlandvisite am Samstag das Land Brandenburg und die sowjetischen Streitkräfte in Ostdeutschland besucht. Mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) habe er die Wiederbelebung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der russischen Republik und Ostdeutschland vereinbart, sagte Jelzin in Potsdam. In Begleitung von Stolpe und Bundesaußenminister Hans- Dietrich Genscher (FDP) besuchte der Präsident das Oberkommando der sowjetischen Westgruppe in Wünsdorf bei Berlin. Am Abend flog er vom Militärflughafen Sperenberg zurück nach Moskau.

Jelzin bezeichnete den Niedergang der Wirtschaftsbeziehungen zur ehemaligen DDR als „schweren Schlag“. „Wir haben beide das kommunistische Experiment überlebt. Wir haben in der Realisierung der Marktwirtschaft und unserer Reformen die gleichen Krankheiten und Schwierigkeiten zu überwinden“, sagte er im Anschluß an einen Empfang im Potsdamer Schloß Cecilienhof. Nach Angaben Stolpes wurden praktische Fragen der Zusammenarbeit in den Bereichen Industrie, Landwirtschaft und Handel erörtert. Die Kooperation solle fortgesetzt werden.

Zuvor hatte Jelzin Stuttgart besucht und dabei auch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Daimler Benz AG, Edzard Reuter, gesprochen. Konkrete Investitionsprojekte des bundesdeutschen Konzerns in Rußland wurden jedoch nicht vereinbart. Mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) einigte sich der russische Präsident auf die Errichtung eines Zentrums zur Mittelstandsförderung in Jekaterinburg im Ural, dem früheren Swerdlowsk.

In einer Rede vor Soldaten und Offizieren in Wünsdorf sprach sich Jelzin am Nachmittag dafür aus, daß die Truppen der Roten Armee auch weiterhin unter einem zentralen Kommando bleiben. Rußland werde nur dann eigene Streitkräfte schaffen, wenn dies auch alle anderen Republiken täten. Gemeinsam mit Genscher, Stolpe und dem Oberkommandierenden der Westgruppe, Generaloberst Matwej Burlakow, nahm Jelzin die Ehrenformation ab. Er wurde von einigen tausend Soldaten und deren Familienangehörigen in der Kaserne freundlich begrüßt.

Der Präsident zog eine „sehr positive“ Bilanz seines dreitägigen Besuchs in der Bundesrepublik. Seine Erwartungen seien übertroffen worden. Auch Genscher wertete den Besuch Jelzins als „außerordentlich erfolgreich“. Es sei ein „neues Kapitel in der gemeinsamen Geschichte von Deutschen und Russen aufgeschlagen worden“, sagte der Bundesaußenminister vor den rund 500 sowjetischen Militärangehörigen. Rußland könne sich auf die Deutschen „als Partner und Freunde“ verlassen. In den neuen Bundesländern sind noch 240.000 Sowjetsoldaten stationiert.