: Pieroth will 400 Grundstücke weggeben
■ Mehr als 400 Immobilien im Ostteil sollen Alteigentümern zurückgegeben werden/ Finanzsenator Elmar Pieroth will Einigungsvertrag aushebeln
Berlin. Mehr als 400 Grundstücke im Ostteil der Stadt, die bis 1949 unter der sowjetischen Militärverwaltung enteignet wurden, sollen nach dem Willen von Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) ihren alten Eigentümern zurückgegeben werden. Diese Pläne widersprechen zwar dem Einigungsvertrag, der die von den Sowjets initiierten Enteignungen für rechtens erklärt hatte. Diese auch vom Bundesverfassungsgericht bekräftigte Regelung ist nach Ansicht von Pieroths Hausjuristen im Fall von gut 400 Berliner Fällen jedoch nicht gültig, weil diese Enteignungen erst am 2. Dezember 1949 und damit nach Gründung der DDR im Verordnungsblatt der jungen Republik publik gemacht wurden.
Zu den Nutznießern der »Lex Pieroth« würde unter anderem der Hertie-Konzern gehören, der das 1948 enteignete Grundstück des ehemaligen Wertheim-Kaufhauses am Leipziger Platz zurückerhalten würde. Reprivatisiert würde außerdem das ehemalige FDJ-Haus Unter den Linden 36/38, das bis Kriegsende der Deutschen Gewerbehaus AG gehörte. Diese Gesellschaft oder ihre Erben können sich daneben Hoffnung auf eine Rückübertragung des Grundstücks Leipziger Straße 75/77 machen. Weitere Filetstücke auf der Liste liegen in der Karl-Liebknecht- Straße, der Mauerstraße, der Schönhauser Allee, der Prenzlauer Allee und der Brunnenstraße.
Vorerst wartet der Finanzsenator noch auf grünes Licht aus Bonn. Erst wenn Finanzministerium und Justizministerium ihre Zustimmung gegeben hätten, so Pieroth-Sprecher Thomas Butz, könnten die Alteigentümer ihre Ansprüche geltend machen.
Widerstand gegen Pieroths Pläne kommt jetzt schon von SPD-Wirtschaftssenator Norbert Meisner. »Das geht voll nach hinten los«, warnte gestern Meisners persönlicher Referent Lothar Stock. Die Pieroth-Pläne könnten Investitionen eher hemmen, als befördern, wenn jetzt auch für die unter den Sowjets enteigneten Grundstücke ein Gerangel um Eigentumsrechte und Rückübertragung beginne. Würden in den zuständigen Ämtern jetzt auch Anträge auf Rückübertragung der 1945 bis 1949 enteigneten Grundstücke gestellt, schaffe das überdies auch dort »zusätzliche Verzögerungen«.
Pieroth-Sprecher Butz lies diese Argumente gestern nicht gelten. »Wir kommen nicht darum herum, den Berechtigten zu ihrem Recht zu verhelfen«, argumentierte er. Die »Lex Pieroth« dürfte trotzdem erneut eine Diskussion über den Einfluß entfachen, den die Immobilienbranche auf den Senat auszuüben vermag. Pieroth folgte mit seinem Vorstoß nämlich der Auffassung, die in einer Fachzeitschrift kürzlich ein Anwalt dargelegt hatte, der selbst mehrere potentielle Nutznießer der von Pieroth geplanten Neuregelung vertritt. Es handelt sich um Jost von Trott zu Solz, der zusammen mit Pieroths Parteifreund Klaus Finkelnburg eine Kanzlei am Ku'damm unterhält. Erst vor wenigen Monaten hatte der Senat auf Anraten des Anwaltes Karlheinz Knauthe die umstrittene »Lex Knauthe« beschlossen. Sie stärkt ebenfalls — entgegen der bisherigen Rechtslage — die Rechte von Alteigentümern. hmt
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