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ZUR KONSTRUKTION EINES FAKE Von Birgit Torneau

Vor allem bräuchte man ein Bewußtsein darüber, daß wir schon immer alles wissen. Wirklich alles! Wer recherchiert und folgert, ist nur zu doof zum Erzählen, so könnte man es auch sagen. Sodann wäre es hilfreich, sich in einen derart trunkenen — mentalen — Zustand zu versetzen, daß man an die Geschichten auch herankommt, das heißt sie rausläßt. Und — ganz wichtig — ein mehr oder weniger großes Desinteresse am ganzen Thema. Ein Abseits also. Auf diese Weise könnte einem bisweilen das gelingen, was Thomas Pynchon „Daten-Rückpeilung“ nennt.

1. Beispiel: Ein Schwarzarbeiter- Fahndungsteam der Nienburger Gewerbepolizei wurde jetzt in Hoya selber der Schwarzarbeit überführt. Sie hatten nach Feierabend auf diversen Baustellen privat weitergefahndet und dabei die Bußgelder gleich bar in die eigene Tasche abkassiert.

2. Beispiel: Der Amerikaner John Seymour ist Vorstandsmitglied des World Wide Fund und gleichzeitig Leiter einer Kommission, die festlegt, welche Tierart auf der Liste der vom Aussterben bedrohten kommt, und deswegen sorgfältig registriert werden muß, wozu so viele Tiere wie möglich mit kleinen Sendern ausgestattet werden. Nebenbei besitzt John Seymour in Vancouver noch eine Elektronikfirma, in der teilweise hochkomplizierte kleine Sender hergestellt werden, die man Tieren — sogar unter Wasser — anheften kann. Bis vor kurzem war dies die einzige Firma, die solche Spezialsender baute. Seit neuestem bietet aber auch Siemens diese teuren Geräte an. Und gerade wurde ein Siemens-Geschäftsführer in den Vorstand der deutschen Sektion des World Wide Fund gewählt. Sieht man mal von Bismarcks „Emser Depesche“ ab, wurde diese Fake-Methode zuerst von der „Nexialistischen Internationale“ entwickelt — in den 70ern und im Zusammenhang mit den kämpfenden südfranzösischen Bauern. Es geht darum, Ereignisse zu produzieren beziehungsweise zu verstärken.

Nicht im Gegensatz dazu steht die Methode, sich auf ein Ereignis zu konzentrieren, indem man sich einmischt, an Ort und Stelle, bis zum physischen Mutaufbringen, um das Gesprochene bis zu seinem Körnchen Sinneswahrnehmung zurückzuverfolgen. Michel Foucault nannte so etwas einmal „transzendentalen Journalismus“. Foucault ist immer gut. Foucault schafft zum Beispiel Arbeitsplätze. Im Gegensatz zu Habermas etwa, der nur Parkplätze schafft. Eine weitere Möglichkeit wäre die, bei einem Ereignis auf dessen Produktion selbst abzuheben: Business Art. Sylvère Lotringer, ein jüdischer Kleinverleger, erzählte dazu ein Beispiel aus den achtziger Jahren, als er in Berlin einmal Schauspieler für einen Film über „Deutschland“ suchte. Freunde rieten ihm zu einer Anzeige in der Zeitung 'Zweite Hand‘ : „Amerikanischer Filmemacher sucht Schauspieler für die Rolle Hitlers.“ Niemand antwortete, also dachte er: „New Yorker Filmemacher“ würde interessanter klingen, annoncierte neu — und erhielt eine Menge Zuschriften. Zum Vorsprechtermin lud er nicht nur zwölf Schauspieler mit schwarzen Schnurrbärten, sondern auch ein Videoteam, das fürs deutsche Fernsehen arbeitete. Lotringer meint: „Das wurde dann die zentrale Szene des Films, von der ich gar nicht wußte, daß ich sie machte.“

Abschließend möchte ich hinzufügen: Letztlich geht es bei allen Fake-Konstruktionen natürlich um die Wahrheit — als sportives Ereignis.

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