: Wann kommen die Blauhelme?
■ Frankreich fordert Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates zur Entsendung von UNO-Truppen nach Jugoslawien/ Keine deutsche Beteiligung/ Serbien will schnell vollendete Tatsachen schaffen
Belgrad/Zagreb/Bonn (afp) — Die BRD ist zwar nach wie vor für einen Blauhelm-Einsatz in Jugoslawien, will sich aber selbst an ihm nicht beteiligen. Bundeskanzler Kohl begründete die deutsche Position erneut mit der „Verfassungslage“ und mit unerwünschten Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, die eine Beteiligung von deutschen Soldaten hervorrufen könnte. Jetzt hat Frankreich zum raschen Handeln aufgerufen. Die französische Regierung forderte am Montag eine „dringende“ Sitzung des Weltsicherheitsrats für die Entsendung einer UN-Streitmacht nach Jugoslawien. „In Anbetracht der dramatischen Zuspitzung der Lage vor Ort ist eine dringende Sitzung des UN-Sicherheitsrats erforderlich, um innerhalb kürzester Frist über die Aufstellung einer Streitmacht der Vereinten Nationen vor Ort zu entscheiden“, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums in Paris. Zum Thema UN-Friedenstruppen sagte ein Sprecher des jugoslawischen Verteidigungsministeriums am Montag laut 'Tanjug‘, wenn diese tatsächlich nach Jugoslawien kämen, müßten sie direkt an der Front stationiert werden, um die kämpfenden Parteien zu trennen. Serbien teilt diese Ansicht. Kroatien hingegen verlangt, gleichzeitig mit der Stationierung der Blauhelme an der serbisch-kroatischen Front müßten die jugoslawischen Bundestruppen von den kroatischen Gebieten abziehen.
Der kroatische Präsident Franjo Tudjman hatte am Sonntag abend in einer „Ansprache an die Nation“ im Fernsehen gesagt, es bestünden weiterhin grundlegende Differenzen über die Definition der Zonen, in denen die Blauhelme eingesetzt werden sollen. Außerdem hatte Tudjman die Befürchtung geäußert, daß Kroatien vor der Ankunft einer UN-Friedenstruppe mit neuen Eroberungszügen der serbisch dominierten Armee rechnen muß. Die Serben planten offenbar, innerhalb der nächsten 25 Tage die entsprechenden noch nicht besetzten Gebiete zu erobern, weil sie die Ankunft der UN-Blauhelme erst in den nächsten 30 bis 40 Tagen erwarteten. Serbien wolle die Entsendung von UN-Truppen „für seine eigenen Ziele nutzen“.
Bundeskanzler Kohl stellte sich nachdrücklich hinter die Bemühungen der Vermittler von EG und UNO, Cyrus Vance und Lord Carrington, die Voraussetzungen für die Entsendung einer UN-Friedenstruppe zu schaffen. Hierzu gehörten insbesondere ein dauerhafter Waffenstillstand und die Zustimmung aller Konfliktparteien. Außerdem dürfe die Anerkennung derjenigen Republiken, die dies wünschten, nicht verzögert werden, sagte Kohl. Genscher sagte, der Zeitpunkt für eine Anerkennung komme erst nach Ablauf der von der EG gesetzten Frist für eine politische Lösung des Jugoslawienkonflikts am 10. Dezember. Der Bundesaußenminister kündigte die Entsendung einer Expertengruppe nach Kroatien an, die die künftige Gestaltung der wirtschaftlichen Beziehungen untersuchen solle.
Genscher kündigte außerdem eine Erhöhung der Mittel für humanitäre Hilfe für Kroatien von sechs auf zehn Millionen Mark an. Insbesondere die medizinische Hilfe solle verstärkt werden. Am Montag lief das Gleitboot „Krila Dubrovnika“, das sechs Tonnen Hilfsgüter des UN-Weltkinderhilfswerks UNICEF und des Roten Kreuzes nach Dubrovnik transportieren soll, aus dem italienischen Bari aus. Das Gleitboot hatte am Samstag abend 68 Flüchtlinge aus den umkämpften Gebieten nach Bari gebracht.
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