: Den Vogel abgeschossen-betr.: "Vukovar, mon amour!", Kommentar von Dunja Melcic, taz vom 19.11.91
betr.: „Vukovar, mon amour!“, Kommentar vom Dunja Melcic, taz vom 19.11.91
Wer linke beziehungsweise pseudo- linke Blätter liest, dem bleibt es nicht erspart, auf Dunja Melic zu stoßen, die dort seit Beginn der Jugoslawien- Krise im fast wöchentlichen Rhythmus ihre Meinung absondert, die, sei sie nun gewirkt wie die Einleitung zu einem philosophischen Seminar oder mehr volkshochschulhaft erklärend, immer an irgendeiner Stelle die zunächst vorgeschützte Sachlichkeit verläßt und die kleine Nationalistin Melcic vorzeigt, die am liebsten in Vukovar die letzte Hausruine verteidigen würde, hätte sie nicht das Schicksal mit der schweren Aufgabe, in Frankfurt Artikel zu schreiben, geschlagen.
Nun ist mir das, im Getöse gesamtdeutscher Parteinahme an der Seite alter Waffengefährten, schon ziemlich Wurst, außer daß es ein wenig nervt, immer auf die eine Dame zu stoßen, als gäbe es sonst keine Jugoslawen, die schreiben können, doch mit dem durch die Überschrift ihres Kommentars „Vukovar, mon amour!“ gezogenen Vergleich hat sie nun den Vogel abgeschossen. Das blutige Geraufe im ehemaligen Jugoslawien, das gewiß schlimm ist, aber um das sich keiner kümmern würde, auch der Herr Genscher nicht, würde es im Libanon, in Uganda oder in Timor zum Beispiel stattfinden (was wohl beweist, daß handfeste Interessen im Spiele sind), mit Hiroshima zu vergleichen, kann wirklich nur auf dem gedanklichen Mist einer völlig durchgedrehten kroatischen Nationalistin gewachsen sein. Niemand sonst käme auf den Gedanken, den zu einem „Stalingrad“ hochstilisierten Kampf zweier Bürgerkriegsparteien, die beide über hohe Opfer zu klagen haben, aber schließlich doch (auf beiden Seiten) verantwortlich dafür sind, mit dem Abwurf einer für die Massenvernichtung konzipierten Waffe auf die völlig ahnungslose Bevölkerung einer Großstadt zu vergleichen.
Das Schlimme aber ist, daß jene, an die diese Propagandabotschaft gerichtet ist, diese Scheiße goutieren, als hätte mit ihrem Verstand auch ihr Geschmack gelitten. Klaus W.Kowol,
Gummersbach
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