Siemens-Konzern steigt bei Skoda ein Deutsch-tschechische AKWs in Sicht

■ Neuer Mehrheitsgesellschafter will auch Framatome beteiligen/ Schlüsselfirma für Ostmärkte

München/Plzn (ap/dpa) — Im monatelangen Rennen um eine Beteiligung am Kraftwerksbau in der Tschechoslowakei hat sich Siemens durchgesetzt. Wie der Münchner Industriegigant am Dienstag bekanntgab, wird Siemens mit den tschechoslowakischen Maschinen- und Kraftwerksbaufirmen Skoda Plzn (Pilsen, sprich: Pl-senj) und Skoda Praha ein Joint Venture bilden. An der neuen Firma Skoda Energy ist der Skoda- Konzern mit 33 Prozent Minderheits- und der Siemens-Geschäftsbereich MTU mit 67 Prozent Mehrheitsgesellschafter. Im Rahmen des Siemens-Anteils sei eine Beteiligung des französischen Reaktorherstellers Framatome vorgesehen, mit dem Siemens/KWU seit 1989 im Reaktorbau zusammenarbeitet.

Der Maschinen- und Anlagenbauer Skoda hat nichts mit dem gleichnamigen Automobilhersteller zu tun, für den VW den Zuschlag bekommen hat.

Das nun geplante Gemeinschaftsunternehmen, für das die Grundsatzvereinbarung am Montag in Pilsen unterzeichnet wurde, soll im Energietechnik-Bereich sowohl Erdgas-, Öl-, Kohle- als auch Atomkraftwerke und Wasserkraftgeneratoren sowie Schutztechnik für Atommeiler und Entsorgungsanlagen schlüsselfertig anbieten. Für Mitte 1992 rechnet Siemens mit dem Abschluß des endgültigen Abkommens, das noch von der tschechischen Regierung genehmigt werden muß.

In der Mitteilung hieß es, Skoda Energy werde das komplette Leistungsspektrum von der Entwicklung bis zur Projektierung und schlüsselfertigen Lieferung von Kraftwerken, vom Marketing bis zum Service anbieten. Skoda hat in der Energietechnik, die in das Gemeinschaftsunternehmen eingebracht wird, in Pilsen und Prag über 7.000 Beschäftigte.

Das Unternehmen zählt zu den bedeutendsten Kraftwerksherstellern und nimmt in Osteuropa im konventionellen wie im Atom-Kraftwerksbau eine führende Stellung ein. Seit 1961 werden Atomanlagen produziert, 1980 wurde der erste Reaktordruckbehälter in der damaligen CSSR produziert. Der Bereich Energieerzeugung KWU von Siemens ist Europas führender Kraftwerkshersteller mit 22.000 Beschäftigten. Für das Geschäftsjahr 1990/91 wurden fünf Milliarden DM Umsatz und ein Auftragseingang von 8,8 Milliarden DM gemeldet.

Das Gesamt-Investment von Siemens beim Skoda-Gemeinschaftsunternehmen wird von Branchenkennern auf mehrere hundert Millionen DM geschätzt. Die finanziellen Mittel, die einzubringenden Anlagen und die Beschäftigtenzahl sollen noch festgelegt werden. Wie ein Siemens-Sprecher erklärte, rechne sich Siemens auch gute Chancen für den Skoda-Bereich Verkehrstechnik aus, der ebenfalls mit ausländischen Firmen zusammenarbeiten soll.

Skoda wird mit Hilfe der Weltbank-Tochter International Finance Corporation (IFC) privatisiert und umstrukturiert. Insgesamt hat der Konzern derzeit 35.000 Beschäftigte und ist in noch 21 Bereiche gegliedert. Nach den Plänen der IFC soll er in die Bereiche Energie, Transport, Schwermaschinenbau, Gießerei und Schmiede sowie Werkzeugmaschinenbau und Dienstleistungen geordnet werden. Auf die Bereiche Energie und Transport sollen künftig 60 bis 70 Prozent des Produktionsvolumens entfallen. Der Konzern wird bei Branchenkennern als Idealeinstieg und Schlüsselmarkt einschließlich der Sowjetunion gesehen.

Wie bei der Energietechnik, sind als Bieter für die Verkehrstechnik nur noch Siemens und der schwedisch-schweizerische Elektrokonzern ABB im Rennen. Der US-Konzern Westinghouse hatte für beide Bereiche sein Angebot zurückgezogen. Skoda Plzn hatte Ende Oktober eine Zusammenarbeit mit Westinghouse abgelehnt.