piwik no script img

Fink fristlos gefeuert Uni steht hinter ihm

■ Nach der Kündigung des Rektors der Humboldt-Universität treten Studenten in einen »Warnstreik«/ Demonstration vor dem Gebäude der Gauck-Behörde

Mitte. Heinrich Fink will trotz der ausgesprochenen fristlosen Kündigung weiterhin Rektor der Humboldt-Universität (HUB) bleiben. Dies kündigte er gestern mittag auf einer überfüllten Vollversammlung im Audimax der Universität an. Fink erklärte, er fühle sich von seinem Amt nicht entbunden. Bis zum gestrigen späten Nachmittag war seine Kündigung noch nicht im Rektorat eingegangen. Diese war am Tag zuvor von der Personalkommission und vom Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) dem Vernehmen nach ausgesprochen worden.

Anlaß der Kündigung von Fink ist ein Schreiben der Gauck-Behörde vom 25. November, in dem ihm vorgeworfen wird, seit 1969 unter dem Decknamen »Heiner« für die Stasi tätig gewesen zu sein. Fink, der stürmisch von den Studenten und dem Universitätspersonal begrüßt und minutenlang mit Applaus bedacht wurde, beteuerte auch gestern: Er habe niemals eine Verpflichtungserklärung gegenüber der Stasi unterschrieben und auch »sonst keinem Führungsoffizier tief in die Augen geschaut«. Von seiner Entlassung habe er erst aus der Presse erfahren. Er kündigte an, mit allen ihm zur Vefügung stehenden Rechtsmitteln gegen die Kündigung vorzugehen. In der gestrigen Vollversammlung stellten sich sowohl Studenten wie auch Professoren hinter Fink. Ein Vertreter des Studentenrats erklärte, es gehe nicht allein um Fink, sondern um die Form des Umgangs mit allen Personen, die zu DDR-Zeiten an der Humboldt-Uni tätig waren. Er forderte die Gauck-Behörde auf, die Auseinandersetzung um Fink öffentlich zu führen.

Professor Klaus Hansen, Dekan an der philologischen Fakultät der HUB, äußerte sein »Befremden über die Eile des Senators, die Entlassung vorzunehmen«. Es falle ihm »außerordentlich schwer, den Gedanken abzuwehren, daß mit der Person Heinrich Fink nicht diese Universität verurteilt werden soll«. Der Westberliner Mathematikprofessor Frank Unger, seit letztem Jahr an der HUB, verglich die Vorgehensweise gegenüber Fink mit der Kommunistenverfolgung in der McCarthy-Ära in den USA. Damals sei es auch nicht um Vergangenheit und Schuld gegangen, sondern allein um eine Geste der Unterwerfung, erklärte Unger unter tosendem Applaus. Fink habe in der DDR nicht kollaboriert, sondern kooperiert. Die Vollversammlung beschloß, bis einschließlich Freitag in einen »Warnstreik« zu treten.

Nach der Veranstaltung zogen über tausend Studenten und Mitarbeiter der HUB zur nahegelegenen Gauck-Behörde in der Behrenstraße. Prorektor Volker Klemm übergab dem stellvertretenden Leiter Hans- Jörg Geier einen Beschluß des Akademischen Senats, in dem die Kündigung Finks verurteilt und eine Aussetzung der bald anstehenden Senats- und Konzilwahlen angekündigt wird. Geier versprach, daß Gauck oder er am Freitag um 14 Uhr in der HUB Rede und Antwort stehen werden. Die Studenten wollen sich heute um 12.30 Uhr vor dem Abgeordnetenhaus in Schöneberg treffen. Die PDS kündigte an, gegen Erhardt einen Mißtrauensantrag zu stellen. Severin Weiland

Siehe auch Seite 12 und 22.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen