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Unter der Soutane gibt's Kredit

Jever (dpa/taz) — Ein 36jähriger friesischer Kaplan hat es wirklich nur gut gemeint, als er einer Prostituierten knapp 40.000 Mark für den Einstieg in ein bürgerliches Leben zur Verfügung stellte. Ein Schöffengericht in Jever soll jetzt klären, ob der Geistliche betrogen worden ist.

In Abwesenheit der Angeklagten und ihrer beiden Verteidiger schilderte der Geistliche, den Prozeßbeobachter danach als „weltfremd“ bezeichneten, seine Verschuldung aus seelsorgerischer Fürsorge. Es begann im Februar dieses Jahres, als die Prostituierte, die inzwischen in einem Verbrauchermarkt arbeiten soll, erstmals 900 Mark von dem Kaplan erbat. Mit dieser Summe wollte sie sich von ihren Zuhältern im Ruhrgebiet „freikaufen“.

Innerhalb der nächsten zwei Monate summierten sich die Zahlungen des katholischen Geistlichen auf fast 40.000 Mark. Für die ersten 10.000 Mark gingen seine gesamten Ersparnisse drauf. Um einen neuen Job in der Versicherungsbranche antreten zu können, so ließ er sich von der cleveren Hure überzeugen, müsse sie ihren Führerschein machen und ein Auto kaufen. Den Kredit, den der Geschröpfte für den Kauf des Autos aufnahm, durfte die Angeklagte eigenhändig von der Bank abholen.

Als die nach Angaben des Kaplans vereinbarten Rückzahlungen ausblieben, wandte er sich in seiner Not an die Kripo und erstattete Anzeige. Die wollte er vor dem Schöffengericht allerdings wieder zurückziehen. Die Angeklagte zahle ihm inzwischen monatlich 400 Mark zurück, begründete er seinen Wunsch. Von Richter und Staatsanwalt wurde er belehrt, daß ein laufendes Strafverfahren auf diese Art nicht beendet werden könne. Der Schlußstrich kann erst nach einer noch nicht terminierten Hauptverhandlung gezogen werden.

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