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Noch keine freie Fahrt für Beschleunigungsgesetz

■ Die SPD-regierten Länder sind sich nicht einig über den Gesetzentwurf/ Mainzer Landesregierung will noch feilschen

Berlin (taz) — Auch kurz vor der entscheidenden Bundesratssitzung am Freitag ist die Zukunft des sogenannten Beschleunigungsgesetzes unklar. Nach wie vor ist unsicher, ob der Entwurf von Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) eine Mehrheit im Ländergremium findet. Neben der kompromißlosen Ablehnung der rot-grünen Landesregierungen in Hannover und Wiesbaden haben sich auch das SPD-regierte Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein eindeutig auf die Seite der Gegner des Gesetzes geschlagen. Die Gegner kritisieren das vorgesehene obrigkeitsstaatliche Planungsverfahren und die im Entwurf geplanten unterschiedlichen Rechte für neue und alte Bundesbürger. Umweltschützer sehen in dem Entwurf den Freibrief für Straßenbauorgien in den neunziger Jahren.

In den beteiligten Ausschüssen des Bundesrates hatte es Mitte November unterschiedliche Voten gegeben. Verkehrs- und Umweltminister mehrerer SPD-Landesregierungen stimmten unterschiedlich ab. Einige Länderkabinette versuchten die Entscheidung bis zum letzten Augenblick offenzuhalten. So will die SPD- geführte Koalitionsregierung in Mainz bis zur letzten Minute um Konzessionen bei der Umwidmung der vielen brachliegenden Militärgelände in dem Bundesland feilschen. In der Staatskanzlei hofft man auf Zugeständnisse, „wenn Krause merkt, daß er sonst keine Mehrheit findet“. Als unsicher gilt in Bonn auch das Abstimmungsverhalten der Ampelkoalition in Brandenburg.

Im Umweltausschuß empfahlen alle SPD-regierten Länder, den Entwurf an den Vermittlungsausschuß zu überweisen. Sollte die Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht zustande kommen, fordern die Umweltminister der neun Landesregierungen sogar, das Gesetz in Gänze abzulehnen. Ganz anders dagegen die Abstimmungen im federführenden Verkehrsausschuß. Dort hatten zwölf Länderministerien, darunter fünf in SPD-Ländern, dem Gesetzentwurf zugestimmt. Nur die rot- grünen Landesministerien in Hessen und Niedersachsen sowie die Verkehrsminister der SPD-Länder NRW und Schleswig-Holstein stimmten gegen den Gesetzentwurf.

In Bonn appellierte der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) an die Länder. Im Interesse einer schnelleren Verkehrswegeplanung in Ostdeutschland sollten sie sich „nicht querlegen“. Die Planungshemmnisse behinderten den wirtschaftlichen Aufschwung und müßten so schnell wie möglich beseitigt werden. Die Forderung des Umweltausschusses nannte der DIHT „schädlich“. Der DIHT wünschte sich, daß der Bundesrat Krause gleich auffordert, auch für Westdeutschland einen Planungsfreibrief zur Asphaltierung der Republik zu erteilen. Hermann-Josef Tenhagen

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