: Wie wir lernen, die Bombe zu lieben
■ In Zukunft — ohne Armee?, West3, 21.00 Uhr
Welche Funktion hat das Militär angesichts weltweiter Entspannung? Gegen diese, mit entwaffnender Einfachheit gestellte Frage ist der ehemalige Veteidigungsminister Rupert Scholz bestens gerüstet: „Der Traum vom ewigen Frieden ist auch heute nicht eingetreten.“ Der neue Feind lauert in der sogenannten Dritten Welt. Dem Verlust altgedienter Feindbilder begegnet das Establishment mit der vertrauten Ideologie vom ewigen Kriegszustand. Feuer frei. Wer unter dem Titel In Zukunft — ohne Armee? einen gefühligen Appell für globalen Pazifismus erwartet, liegt falsch. Zwar wollte der Frankfurter Dok-Filmer Malte Rauch diesmal „einen etwas lockeren Film“ gestalten, „bei dem man auch mal husten kann, ohne gleich die Essenz zu verpassen“. Doch daraus wird nichts. Wer eine Erkältung hat, muß sich weiterhin auf Wick- Medinight verlassen. Das 45-Minuten-Feature ist eine mit militärgeschichtlichen Hintergründen und Informationen gespickte Nachhilfestunde zum Thema Rüstung und Wirtschaft sowie Rauchs zweiter Beitrag im Rahmen der von den WDR-Redakteuren Winterberg und Weimer initiierten Zukunftswerkstatt.
Die landläufige Diskussion über Rüstungsgeschäfte ist durch die propagandistische Diskreditierung (sicher nicht entschuldbarer) deutscher Waffenexporte an den Irak in falsche Bahnen gelenkt worden. Rauchs Film setzt an diesem heiklen Punkt an, indem er die perfide Trennung zwischen 10Prozent illegalem und 90Prozent legalem Waffenhandel in Frage stellt. Es folgen anregende Gespräche mit Friedensforschern, Schriftstellern, Psychoanalytikern, Politikern und Militärs. Rauch rekonstruiert einen globalen, militärökonomischen Zirkel: „Durch die Existenz der Armee zahlt der Steuerzahler die Rüstungsindustrie. Die wiederum verkauft an Diktaturen in aller Welt, um zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Diese Diktaturen werden zur militärischen Bedrohung. Was wiederum die Existenz der Armee legitimiert.“ Armeen sind wirtschaftsparasitäre Organisationen, deren Geschäftsgrundlage sich der Vorspiegelung eines obsolet gewordenen Verteidigungsauftrags verdankt. Eine demokratisch legitimierte Form von Schutzgelderpressung.
Die Frage nach der Moral des Rüstungsgeschäfts beantwortet Ezard Reuter, Vorstandsvorsitzender von Daimler Benz, umstandslos kaufmännisch: „Wir stehen im Wettbewerb.“ Wollen wir unsere Arbeitsplätze sichern, so müssen wir lernen, die Bombe zu lieben. Manfred Riepe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen