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PRESS-SCHLAGKein Bock auf Strafen

■ Mit Coach Knut Rettig erwachten die Volleyballerinnen der VG Alstertal aus dem Dornröschenschlaf

Knut Rettig, angehender Sportpädagoge, schaut am Ende einer „verschenkten Trainingseinheit“ eine Spur weniger gemütlich als man es von ihm gewohnt ist. Seltsam steif steht er da in der Sporthalle Falkenberg, mitten im Herzen Norderstedts, des 70.000- Einwohner-Schlafdorfs vor den Toren Hamburgs. „Ihr müßt begreifen, daß ihr hart arbeiten müßt, sowas wie heute geht einfach nicht“, deklamiert er stehend in Richtung seiner sitzenden Schützlinge. Und das sind die Volleyballerinnen der VG Alstertal-Harksheide, kurz: der VGAH. Rettig, ein Mann aus dem Badischen mit einem gewissen Freakflair, sagt all dies milde, ja verständnisvoll. Auch dies: „Wir müßten sonst wieder mit Strafen arbeiten. Aber dazu habe ich keine Lust.“

Lust und Spaß — Elemente, die für Leute wie Rettig auch im Spitzensport, in der Bundesliga der Volleyballerinnen unverzichtbar sind. Eigentlich hält er gar nichts von den exorbitanten Summen, mit denen im Volleyball — fatalerweise die italienische Szene im Blick — hierzulande operiert wird: „Ich find den Sport gut. Alles andere sollte eine Frage von Aufwandsentschädigungen sein.“

Seinen Spielerinnen jedenfalls merkt man an, daß ihnen der Druck zu Kopfe gestiegen ist. Noch vor zwei Monaten waren sie die Außenseiterinnen, örtlich ausgestochen durch die Frauschaft des Hamburger Leistungssport-Vereins (HLSV), den Pokalfinalistinnen, dem Team mit europäischen Ambitionen. Doch weder fand das Management des HLSV Sponsoren noch Mäzene, unisono bekam es zu hören: Volleyball is' nich', keine Chance auf TV-Präsenz. Auch der HSV, dem die HLSV-Equipe noch vor Jahresfrist angehörte, wollte die VolleyballerInnen nach dem Konkurs des HLSV nicht wieder — zu kostspielig hieß es, sei es, eine Sportart minderer Bedeutung und teurer Ausstattung in einem Verein zu halten, der selbst nur mit knapper Not dem Gang zum Konkursrichter entgangen ist.

Nun sind die VGAH-Frauen die einzigen im hohen Norden, von Experten gar für einen Platz in der lukrativen Playoffrunde ausgelobt, die Volleyball auf höherem Niveau darbieten können. 350.000 Mark lassen sich die Sponsoren bereits im zweiten Jahr ihr Engagement kosten, etwa die Hälfte dessen, was die HLSV-Frauen benötigt hätten. Ob am Ende die Erfolge der VGAH — gegen die Stars aus Feuerbach, Münster, Tübingen oder Berlin — ein kleines Lichtlein auf die Existenz der Stadt Norderstedt wirft, ist offen.

Jüngst erst gingen die Spiele gegen die Feuerbacherinnen und Tübingerinnen verloren, nicht zuletzt aufgrund der Nervosität der Frauen um die polnische Starangreiferin Anna Rozpiorska, also ihrer nackten Angst vor dem Versagen. Vor allem die immer topgeschminkt ins Spiel gehende Polin lernt inzwischen, was es heißt, sich auf westlichen Arbeitsmärkten zu tummeln. In der vergangenen Saison aus ihrem Heimatland angeheuert, pritschte und schmetterte sie strikt im Dienst nach Vorschrift — mau und irgendwie desinteressiert aus dem Trikot schauend.

Und da Knut Rettig harscheres Vokabular nicht kennt, waren die Vereinsverantwortlichen gezwungen, sie darauf hinzuweisen, daß eine schöne Gage — man sprach von 5.000 Mark pro Monat — eine entsprechende Leistung verlangt. Also besann sich die Rozpiorska, daß auch im Gymnasialsport Volleyball westliche Usancen gelten (Kündigung, fristlos oder fristgerecht), und spielt seither gut.

Ob sie es morgen gegen den Schweriner SC tut, ist freilich ungewiß. Sie leidet an ihrer entzündeten Schulter sehr, springt auch nicht mehr so hoch und guckt immer sehr traurig. Der Trainer („die Niederlagen steckt man nicht so weg“) hat Sondertrainingseinsätze anberaumt, denn die Schwerinerinnen sind motiviert genug zu begreifen, daß sie ohne Erfolge in ihrer Heimatstadt nie zu Ruhm und Ehre kommen. Bei deren letztem Heimspiel kamen lediglich 26 zahlende Zuschauer — typisch für eine Liga, in der Gehälter zu löhnen üblich ist, welche manchen Amateuroberligisten im Fußball in die roten Zahlen treiben würde.

Rettig klarsichtig: „Wenn die Zuschauer das Gefühl haben, daß die Spielerinnen wirklich den letzten Schweißtropfen geben, kommen die auch immer wieder.“ Jan Feddersen

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