: Deutsche Hofgutachter sichern Ost-AKWs
Berlin (taz) — Die Bundesrepublik greift Rußland und der Ukraine in Atomfragen künftig mit bezahltem Fachwissen unter die Arme. Ein entsprechendes Abkommen unterzeichnete Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) gestern in München. In Moskau und Kiew werden dazu Außenstellen der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) eingerichtet. Die atomfreundlichen Experten aus Köln sollen die Republiken beim Aufbau effektiver Genehmigungs- und Kontrollbehörden unterstützen.
Ein ähnliches Abkommen soll demnächst mit Litauen abgeschlossen werden. Töpfer bekräftigte seine Forderung, die 16 Atomreaktoren vom Tschernobyl-Typ RBMK müßten aus Sicherheitsgründen sofort vom Netz. Diese „Zeitbomben“ könnten nicht nachgerüstet werden.
Nach dem Zusammenbruch der alten Sowjetunion hätten sich die zentralen aufsichtsbehördlichen Strukturen „praktisch aufgelöst“, sorgte sich der Minister. In den drei Republiken, in denen 45 der 58 osteuropäischen Atomreaktoren betrieben werden, müßten deshalb schleunigst die entsprechenden Kontroll- und Überwachungsinstrumente geschaffen werden. Für die Hilfe steht zunächst ein einstelliger Millionenbetrag zur Verfügung. Der GRS, an der der Bund und mehrere TÜVs beteiligt sind, ist damit der Einstieg in den Markt für Sicherheitsstudien in Osteuropa gelungen.
Der Chef der für die ukrainischen Atomkraftwerke zuständigen Sicherheitsbehörden, Nikolaj Shteinberg, sicherte Töpfer in München zwar die Abschaltung der Blöcke 1 und 3 des Kraftwerks in Tschernobyl bis spätestens Ende 1993 zu. Aus Sicherheitsgründen müssen bei der Stillegung aber stündlich 60 Tonnen Dampf erzeugt werden können. Dafür fehlten in Tschernobyl die notwendigen technischen Anlagen.
In der Ukraine könnten derzeit 15 bis 20 konventionelle Kraftwerke nicht arbeiten, weil Rußland zuwenig Öl und Kohle liefere, ergänzte Shteinberg. In absehbarer Zeit müsse die Ukraine daher auf Stromexporte, die heute auch nach Bulgarien gehen, verzichten. Bulgarien nutzt derzeit in Kosloduj mehrere gefährliche Atommeiler zur Stromerzeugung. Ob die Ukraine unter diesen Umständen auf die Inbetriebnahme von drei fertiggestellten, unsicheren Reaktoren verzichtet, sei „nicht vorauszusagen“.
Jurj Wishnewski, zuständiger Behördenleiter der Republik Rußland, machte für den Liefer-Engpaß einen Rückgang der russischen Erdölförderung um 50 Millionen Tonnen wegen fehlender Ersatzteile und eine um 100 Millionen Tonnen gesunkene Kohleförderung wegen eines langen Bergarbeiterstreiks verantwortlich. Rußland wolle für seine Rohstoffe aber auch „entsprechende Valuta oder wenigstens Lebensmittel“ erhalten, sagte Wishnewski. ten
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