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Milde gestimmt auf den Gipfel zu

■ Kurz vor dem Gipfel in Maastricht macht sich unter den EG-Regierungschefs Kompromißbereitschaft breit

Brüssel (taz) — Major in Rom, Andreotti und Lubbers in Bonn, Major auch in Bonn, alle zusammen bei Delors in Brüssel: Kaum ein Tag vergeht, an dem sich die EG-Chefs nicht irgendwo zusammenfinden, um am vereinten Europa zu basteln. Der eigentliche Gipfel im holländischen Maastricht, an dem die Vision in verbindliche Paragraphen gegossen werden soll, ist nur noch zehn Tage entfernt. Doch noch immer klaffen die Positionen weit auseinander. Höchste Zeit für Kompromisse. Am heftisten umworben wird Helmut Kohl, der die weitgehendsten Forderungen an die angestrebte Wirtschafts- und Währungsunion plus politischer Union stellt.

Der wichtigste Gegenspieler ist der britische Premierminister John Major, der in Bonn seinen Widerstand gegen die von Kohl geforderte Aufwertung des Europaparlaments betonte. Außerdem lehnt er eine Festschreibung des Ziels einer Föderation ab, ebenso die geplante gemeinsame Währung. In allen drei Punkten scheint Kohl inzwischen kompromißbereit: Über die Beteiligung Großbritanniens an der dritten Stufe der Währungsunion könne 1996 oder 1997 entschieden werden; das föderale Ziel müsse nicht unbedingt jetzt in die Präambel aufgenommen werden. In welchen Bereichen die Europaabgeordneten in Zukunft mitentscheiden dürfen und wann die EG zur Anerkennung Sloweniens und Kroatiens schreitet, über diesen Fragen frühstückte Kohl gestern mit dem EG-Ratspräsidenten Ruud Lubbers. Danach war der italienische Ministerpräsident an der Reihe. Andreotti berichtete von seinem Treffen mit Major, der „Signale für eine nichtdogmatische Haltung Londons“ erkennen ließe. Aus Bonner Sicht bedeutet dies, daß noch strittige Bereiche — etwa die Außen- und Sicherheitspolitik sowie das Asylrecht oder die Drogenbekämpfung — für eine Übergangszeit weiterhin zwischen den Regierungen geregelt werden können.

Gegen diese kompromißlerische Haltung verwahrte sich die EG-Behörde. Schließlich erhofft sie sich als Keimzelle einer zukünftigen EG-Regierung von den Verträgen einen Machtzuwachs. Deswegen warnten die 17 EG-Kommissare vor einer „Verwässung“ der Pläne für ein vereintes Europa. Um die südlichen Mitgliedsländer auf ihre Seite zu ziehen, unterstützten sie gleichzeitig deren Forderung nach einem größeren Finanztransfer von den reicheren nördlichen Staaten in den Süden. Als Kompromiß boten die Kommissare der britschen Regierung an, die Übertragung neuer Kompetenzen auf die EG-Organe „schrittweise“ zu verwirklichen. Bei Entscheidungen über außen- und sicherheitspolitische Fragen sollte die geltende Einstimmigkeitsregel vorerst nur durch eine Sperrminorität ergänzt, statt durch Mehrheitsregeln ersetzt werden. Michael Bullard

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