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Rache ist Kackwurst

■ Von „Underdogs“, Rosinenschweinen und Maulwurfkriminalistik

Weihnachten droht. Die lieben Kleinen fordern mit ausgestreckten Ärmchen ihre Rechte ein: Geschenke! Und sie sollen doch was Vernünftiges unterm Baum finden. Alle Jahre wieder empfiehlt es sich aufs neue: das gute Kinderbuch, geschmackvoll, abwaschbar, asbestfrei.

Nur: Kinderbücher sind, ob gut oder schlecht, in jedem Falle teuer. Zu teuer. Dem Aktienbesitzer wird die Auswahl nicht zum Problem, er kauft alles und schmeißt die schlechteren weg, in die Papiertonne, versteht sich. Ja und wir, der Rest? Wir, die ökonomisch Minderbemittelten, vom Konsumekel Verfolgten? Wir warten. Bis der gute Rezensent als Weihnachtsmann per Printmedium in die Stube tritt: Siehe, ich verkünde Euch eine große Freude. Hier sind drei gute Bücher, an denen ich mein Wohlgefallen habe.

Das erste ein Buch, an dem alle — ab drei Jahren aufwärts — ihr helles Vergnügen haben werden: Die fürchterlichen Fünf, getextet und illustriert von Wolf Erlbruch. Schon das Titelbild zeigt uns die häßlichen Helden, mit denen wir es zu tun haben werden: die Kröte, die Ratte, die Spinne, die Fledermaus, die Hyäne. Echte „Underdogs“ — auch rein tierweltmäßig betrachtet — und jedes Vieh einzigartig an Habitus, Gestalt und Grauslichkeit. Logisch, daß alle unter einer Brücke zusammenkommen, zunächst, um reichlich ihr übles Aussehen zu bejammern, mit dem das Schicksal sie gezeichnet hat (merke: gemeinsam jammert sich's besser). Loser unter sich. Die Hyäne, sonnenbebrillt und wave-gestylt, packt das Saxophon aus, Ratte die Ukulele, Spinne und Fledermaus ziehen spontan mit: voices & wizzling. Es geht ab. Und Kröte? Völlig unmusikalisch. Aber sie kann Pfannkuchen backen.

Nun folgt die konkrete Utopie (oder was man dafür hält). Die fünf eröffnen eine Kneipe unter der Brücke. Pfannkuchen und Musik. Natürlich geraten die aufstrebenden Jungunternehmer sogleich in die Krise, mentale Probleme oder Spätfolgen ihrer früheren zur Depressivität neigenden Lebensauffassung, wer weiß. Mehr sei nicht verraten.

Die fürchterlichen Fünf sind klar gezeichnet, ohne Überflüssiges drumherum, einfallsreiche Details unterstützen die Figuren. Ein paar Balken für die Brücke, bissl was an Möbel & Pfannkuchen für die Kneipe, mehr braucht's nicht bei Wolf Erlbruch, um vergnüglichen Schrecken zu verbreiten. Bei der Lektüre hat der Vorleser/die Vorleserin links zu sitzen: Auf der linken Seite — wirklich sehr praktisch — ist der manchmal etwas konstruiert wirkende Text aufgeführt, der jedoch bei mehrmaligem Vorlesen seine volle sprachliche Potenz entfaltet. Gute Dialoge, der Erzählton knapp, gerafft, treibend, witzig bis zum Ende.

Buch zwo gilt als absolute Empfehlung für alle Großfamilien und Kindergärten. Genauer gesagt: für alle Orte, wo ständig irgendwelche Leute ihre anale Phase durchleben müssen und wollen. Good old Freud, hier biste richtig. Wieso? Der Titel macht's klar: Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat. Ein ganzes Buch nur Scheiße. Aber gut.

Freund Maulwurf (Maulwürfin?), des Tages Helle suchend, bekommt einen Scheißhaufen auf den Kopf gesetzt. Weniger zur Allegorie neigend als der aufgeklärte Leser, macht er sich ganz konkret auf zu erfahren, wer ihm diesen Tort angetan hat. Die Maulwurfskriminalistik besagt: Frage jedes Tier, dem du begegnest, nach seinen Exkrementen — vergleiche dann und urteile. Taube, Pferd, Hase, Ziege, Kuh (puh!) und Schwein legen Beweise ihrer Unschuld ab. Erst die Fliegen, spezialisiert im Fach Fäkalien, können die Lösung des Falles Maulwurf erbringen: Einzig Hans-Heinrich, Metzgershund, kommt als Täter in Frage. Und schon bereitet Maulwurf die Revanche vor, denn Rache ist Kackwurst.

Der Text von Werner Holzwarth kommt in schwungvoll gezeichneten Lettern daher, groß und animierend. Seine bewußte Einfachheit legt's darauf an, daß der Analphase durchlaufende Mensch ihn nach dem fünften Lesen auswendig kennt. Die Zeichnungen, sieh mal da, schon wieder von Wolf Erlbruch! Der Mann hat's einfach drauf: wieder klarer, deutlicher Strich, einfache Colorierung, folgend dem Prinzip der Reduktion aufs Wesentliche, auf die handelnden Viecher nämlich und die Hauptperson Maulwurf. Das Buch verfügt — vorsichtig geschätzt — über eine Leseerwartung bis zum Erstlesealter, wird dann wahrscheinlich aber rasch an Attraktivität verlieren.

Das dritte Buch, Fünf fette Zirkusschweine, von Ulf Nilsson und Eva Eriksson wurde von Angelika Kutsch aus dem Schwedischen übersetzt: Fünf Schweine, mit jeweils besonderen Fähigkeiten ausgestattet, führen ein rechtes Zirkusleben. Ziehen von Stadt zu Stadt. Kunststücke präsentierend, haben sie viel Erfolg. So viel Erfolg, daß sie sich an Rosinen gründlich satt fressen können. So viel Erfolg sogar, daß sie zu viele Rosinen fressen. Jähes Ende der Karriere: sie werden fett, versagen beim Auftritt in der Manege. Prompt werden sie durch fünf jüngere Schweine ersetzt und an einen Bauern verkauft. Unnachgiebig arbeiten sie dort an ihrem Comeback. Der Ausbruch vom Bauernhof gelingt. Was sie fürderhin im Zirkusrund vorzeigen, kann als clowneske Persiflage auf ihre Show von einst durchgehen. Alte Schweine, neue Schweine, das schließt sich gern und schnell zusammen. Das wählt sich einen Präsidenten, einen schönen, fetten Schweine- Präsidenten, ja, und wenn sie nicht gestorben sind, ziehn sie wohl heute noch als Zirkus durchs Land.

Fünf fette Zirkusschweine, erschienen bei Oetinger und in leicht zum Impressionismus neigender Aquarelltechnik illustriert, reiht sich ein in die rar gewordene Spezies der Kinderbücher, die für Erwachsene und Kinder jeweils unterschiedliche Lese-Ebenen parat haben: Was sich für Kinder als regelrechtes Abenteuer mit gut komponierter Dramaturgie und durchstrukturiertem Handlungsfaden ausgibt, gilt dem erwachsenen Leser als Persiflage auf politisches Zeitgeschehen. Die spannungsreiche Geschichte der Schweine erzählt sich Kindern gut und gerne. Geduld beim Vorlesen ist vonnöten, macht sich aber bezahlt. Humorige Erwachsene, die ihre eigene Lesart parallel zum Vorlesen entfalten können, sind in der Regel angeregt und somit anregendere Erzähler. Achtung, Kinderbuch- Sammler! Unbedingtes Muß! Nächste Buchhandlung anlaufen: Kaufen!

Also spricht der Weihnachtsmann-Rezensent: Nun gehet dahin und gebet den Kindelein, was den Kindelein zukommt. Drei gute Bücher. Ralph Förg

Wolf Erlbruch: Die fürchterlichen Fünf. Pete Hammer Verlag, Wuppertal 1991, 32 S., 24,80 DM

Werner Holzwarth: Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat. Zeichnungen: Wolf Erlbuch. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1991, 24 S., 19,80 DM

Ulf Nilsson/Eva Eriksson: Fünf fette Zirkusschweine. Oetinger- Verlag, Hamburg 1991, 48 S., 16,80 DM

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