: Die Bremer Ampel soll Schule machen
Die Ampel-Koalition ist so gut wie perfekt: Nach drei Wochen der Verhandlungen traten SPD, Grüne und FDP mit einer achthundert Punkte starken Koalitionsvereinbarung vor die Presse/ Alle loben sich ■ Aus Bremen Klaus Wolschner
Nach einer langen Nacht traten gestern die Unterhändler von SPD, Grünen und FDP vor die Presse, um die Ergebnisse ihrer Koalitionsverhandlungen vorzulegen: Die Bremer „Ampel“ steht.
Es gibt nicht nur einen Konsens über die Sparzwänge — nur 25 Prozent der Einnahmen dürfen für den Zinsdienst verwendet werden —, sondern auch „neue Akzente“, erklärte der alte und designierte neue Präsident des Senats, Klaus Wedemeier. Die Grünen schicken Ralf Fücks (Umwelt und Stadtentwicklung) und Helga Trüpel (Kultur, Ausländerintegration und Jugendarbeit) in den neuen Senat, die FDP den bisherigen Fraktionsvorsitzenden Claus Jäger (Wirtschaft) und Friedrich van Nispen (Inneres). Die SPD mußte gestern abend noch einmal in Klausur, um ihre „Bank“ zu nominieren. Wenn, wie es der Beschlußlage der Partei entspricht, von sechs Senatoren drei Frauen sein sollen, müssen sich sechs Männer des früheren Senats in Zukunft auf drei Sessel verteilen.
„Wir haben nur Milch getrunken“, strahlte der grüne Landtagsabgeordnete und Koalitionsunterhändler Martin Thomas. Nicht ohne Stolz konnte er auf das Ergebnis der Verhandlungen verweisen: Das Umweltressort, das die Grünen der SDP abgetrotzt haben, ist um die Kompetenzen für Energiepolitik, Stadtentwicklung und sogar die Bebauungspläne erweitert — eine einmalige Machtfülle für die Umweltpartei. Die andere Grüne Kandidatin, Helga Trüpel, mußte dafür auf ihre Wunsch-Kombination Kultur und Wissenschaft verzichten und sich mit Kulturpolitik plus Jugend zufrieden geben. Entgegen der klaren Wahlkampfforderung, den Bremer Kulturetat deutlich um 15 Millionen pro Jahr zu erhöhen, stehen in den Koalitionsvereinbarungen nur 1,5 Millionen drin.
Den Wissenschaftsbereich nicht abgeben wollte der Bremer Bildungssenator Henning Scherf, der sich offenbar in der nächtlichen Runde durchgesetzt hat. Sicher scheint auch, daß Finanzsenator Grobecker bleiben wird — der Regierungschef bot beiden Koalitionsparteien die Verwaltung der leeren Kassen an, sie lehnten dankend ab.
Da die Koalitionsvereinbarungen sehr ins Detail gingen, sehe er eine gute Chance für die Dreierkonstellation, sie biete die „Chance, das Lagerdenken aufzubrechen“.
Ralf Fücks betonte im Hinblick auf die grüne Mitgliederversammlung, die das Paket noch absegnen muß, die „großen Zumutungen“, die das sparsame Regierungsprogramm für die grüne Seele bedeuten muß. Gleichzeitig lobte er den „bundespolitischen Charme“ der Vorstellung, daß in Bremen ein Modell ausprobiert würde, das dann in Stuttgart oder gar in Bonn Schule machen kann. Im Hinblick auf seine zukünftigen Kompetenzen konnte er verkünden: „Diese Koalition muß auch gestalten können.“ Grüne Wahlkampfforderungen konnte er in das Koalitionspapier hineinschreiben.
Der FDP-Chef Jäger durfte absprachegemäß die Erfolge der Bremer FDP in der Schulpolitik loben: Während die SPD jahrelang auf Zerschlagung der Gymnasien und Schulstufen-Zentren gesetzt hat, hat die FDP in harten Verhandlungen Überrpüfung der Schulpolitik und fünf Gymnasien in das Regierungsprogramm hineingeschrieben. Auch der FDP-Mann glaubt, daß Bremen das Ampel-Modell „in die politische Diskussion in der Bundesrepublik hineintragen“ kann und soll.
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