INTERVIEW
: „Der Mythos Fink stimmt so nicht“

■ Sebastian Neuss, Theologiestudent, kritisiert die Glorifizierung des entlassenen Rektors, Heinrich Fink

taz: Welche Gründe gibt es, vor dem Mythos Fink zu warnen?

Sebastian Neuss: Die Theologie hat eine eigene Sicht auf ihren ehemaligen Sektionsdirektor. Professor Fink ist es vor allem in den zwei Jahren gelungen, an der Universität einen Ruf zu bekommen, der aus den Ereignissen nach 1989 rührt.

Diese Glorifizierung kann man ihm nicht zum Vorwurf machen. Sie hat mit den Menschen zu tun, die dort sitzen und klatschen. Viele haben ganz bestimmte Gründe, Professor Fink wegen ihrer eigenen Geschichte zu einer Symbolfigur zu stilisieren. Ich habe mich von dem Parteitagsklatschen und der Einheitslinie, die dort durchgepaukt wurde, an eine FDJ-Versammlung erinnert gefühlt.

Auf was gründet sich dieser Mythos?

Fink war für den Übergang der richtige Mann, bis so etwas wie eine demokratische Normalität einzieht. Aber sowohl der Mythos um seine Vergangenheit, die selber von ihm so geschildert wurde, als wäre er ein Widerständler gewesen, als auch der Mythos vom nachrevolutionären Fink stimmt so nicht. Die Arbeit nach dem Herbst '89 war für ihn, denke ich, auch eine Art Sühne, ein Stück Abschiedsarbeit vom DDR-System.

Warum gilt, wie es vorgestern hieß, die Theologie-Sektion, als eine mit „vorauseilendem Gehorsam“?

Das ist die Normalität gewesen, die fast nicht zu beschreiben ist. Eine freie Meiungsäußerung, wenn es um Strukturen an der Fakultät oder an der Uni ging, galt nicht als opportun. Diese Strukturen waren so, daß sie die sozialistische, stalinistische Normalität an der Universität widergespiegelt haben.

Die Leute selbst haben sich nicht ein Stück Freiheit zugestanden und folglich auch nicht den Studenten. Es wäre mehr an Initiativen, an Demokratie, an Gesprächen möglich gewesen. Es gab kein Verständnis dafür, daß es möglich war, den begrenzten Rahmen auszuschreiten.

Entstehen daraus die Konflikte an der theologischen Fakultät?

Es gibt viele alte Spannungen zwischen der DDR-CDU und der Christlichen Friedenskonferenz, die nicht ausgetragen wurden. Die Diskussion darum steht aus. Mit dem Stasi-Vorwurf ist die Bombe nun geplatzt und die alten Geschichten kommen wieder hoch.

Wie beurteilt Ihr den Stasi-Vorwurf gegen Fink?

Das Problem ist, daß Fink in der Theologie ein Mann war, der es allen Recht machen wollten, unter anderem auch der Stasi. Ich glaube, daß er nicht unterschrieben hat. Ich würde verzweifeln, wenn er es getan hat. Dann weiß ich — nach Gartenschläger und Anderson — nicht mehr, wo ich gelebt habe.

Was erwartetest Du jetzt von Fink?

Ich möchte, daß er in der Sektion von sich aus darüber spricht. Es gibt für uns als Theologen neben der Dimension Fink als Kämpfer für die Universität noch eine andere. Als Theologe stellt man sich einem anderen Anspruch, wenn man über Schuld redet. Dann spricht man anders über die Vergangenheit als mit öffentlichkeitswirksammen Schlagwörtern.

Ich würde erwarten, daß er Konflikte aushält in der Sektion, sich nicht windet. Und daß er sich nicht an den Rektoratsposten klammert, nicht um jeden Preis. Interview: Anja Baum